Leitsatz (amtlich)

1. Der Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nach Art. 17 Abs. 3 EGBGB kann auch in einem isolierten Verfahren - nach Rechtskraft der Scheidung - gestellt werden. Der Ausgleichsanspruch verjährt nicht und unterliegt grundsätzlich auch nicht der Verwirkung.

2. § 31 VersAusglG setzt nicht voraus, dass der Tod des ausgleichspflichtigen Ehegatten zu einem Zeitpunkt eintritt, in dem ein Versorgungsausgleichsverfahren bereits anhängig war.

 

Verfahrensgang

AG Neunkirchen (Aktenzeichen 17 F 280/16 VA)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Neunkirchen vom 7. Dezember 2017 - 17 F 280/16 VA - aufgehoben und die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht - Familiengericht - in Neunkirchen zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.

3. Beschwerdewert: 1.000 EUR.

4. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren mit Wirkung vom 16. Januar 2018 Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenanordnung bewilligt und Rechtsanwalt ... pp. beigeordnet.

 

Gründe

I. Die am XX.XX.XXXX geborene Antragstellerin ist südafrikanische Staatsbürgerin und bezieht Altersrente; daneben erhält sie Leistungen nach dem SGB XII zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Antragstellerin hat am 4. August 1972 den am 19. Januar 1930 geborenen und am 3. April 2015 verstorbenen Rechtsvorgänger des Antragsgegners geheiratet. Der frühere Ehemann der Antragstellerin hatte die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Ehe wurde durch ein rechtskräftiges Urteil des High Court of Justice in London vom 17. Januar 2011 geschieden.

Die Antragstellerin hat nach dem Tod ihres Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, Berlin, Hinterbliebenenrente beantragt, die ihr unter Hinweis auf die Scheidung vom 17. Januar 2011 verweigert wurde. Die Antragstellerin trägt vor, sie habe von dem Scheidungsurteil keine Kenntnis gehabt und sei davon ausgegangen, dass sich ihr diesbezüglicher Scheidungsantrag anderweitig erledigt habe und sie daher bis zum Tod ihres Ehemannes mit diesem verheiratet gewesen sei. Da diese Annahme nicht zutreffe, begehre sie nunmehr die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Mit am 5. November 2015 eingereichtem Schriftsatz hat die Antragstellerin beantragt, den Versorgungsausgleich gemäß § 31 VersAusglG durchzuführen.

Der Antragsgegner, ein Sohn des verstorbenen Ehemannes der Antragstellerin, hat nach entsprechenden Mitteilungen des Amtsgerichts - Nachlassgericht - in Saarbrücken vom 13. Dezember 2016 (Bl. 65 d.A.) und vom 1. Februar 2017 (Bl. 67 d.A.) das ihm angefallene Erbe nicht innerhalb der Ausschlagungsfrist formgerecht ausgeschlagen und auch die Anfechtung der Erbschaft nicht erklärt.

In dem angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich diese mit ihrer Beschwerde, für die sie um die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bittet und mit der sie weiterhin die Durchführung des Versorgungsausgleichs begehrt. Die Antragstellerin trägt vor, dass das Familiengericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass der Versorgungsausgleich nach dem Tode des Ehemannes der Antragstellerin und rechtskräftiger Scheidung nicht mehr durchgeführt werden könne. Die Antragstellerin beantragt des Weiteren vorsorglich, das Verfahren nach § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG an das Familiengericht zurückzuverweisen.

Der Antragsgegner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II. Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff FamFG zulässig und hat insofern einen vorläufigen Erfolg, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen ist.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus § 102 Nrn. 1 und 2 FamFG, weil die Antragstellerin und ihr verstorbener Ehemann ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten und unabhängig davon über inländische Anrechte zu entscheiden ist, nachdem beide Ehegatten während der Ehezeit ersichtlich Rentenanwartschaften in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erworben hatten.

Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben, weil das Familiengericht zu Unrecht angenommen hat, dass ein Anspruch auf Durchführung des Versorgungsausgleichs unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehe. Insbesondere hat das Familiengericht nicht beachtet, dass die Antragstellerin bereits nach Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht verlangen kann. Voraussetzung dafür ist, dass einer der Ehegatten in der Ehezeit ein Anrecht bei einem inländischen Versorgungsträger erworben hat und die Durchführung des Versorgungsausgleichs insbesondere im Hinblick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse während der gesamten Ehezeit der Billigkeit nicht widerspricht. Ein ...

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