Leitsatz (amtlich)

Ein Unfallversicherer, der sich auf die Ausschlussfrist des § 7 Abs. 1 AUB 96 beruft, handelt nicht allein deshalb treuwidrig, weil er in einem dem Versicherungsnehmer zugesandten Formular für eine schriftliche Schadensanzeige nicht ausdrücklich nach drohender Invalidität gefragt hat.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Beschluss vom 14.03.2003; Aktenzeichen 12 O 390/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Saarbrücken vom 14.3.2003 (12 O 390/02) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Zahlung von 20.451,68 Euro (= 40.000 DM) Invaliditätsentschädigung aufgrund eines Wegeunfalls vom 19.11.1998.

Die Firma … GmbH unterhält bei der Antragsgegnerin für die Antragstellerin, ihre Arbeitnehmerin, seit dem 1.1.1997 eine Unfallversicherung (Versicherungsschein-Nr. … Bl. 4 a ff. d.A.) mit einer Versicherungssumme von 100.000 DM. Bestandteil des Versicherungsvertrags sind die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 96, Bl. 59 ff. d.A.) sowie besondere Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel (BB Progression 96 – 350 Prozent/GA, Bl. 4 d Rs.). Diese lauten auszugsweise:

„ In Abänderung von § 7 I. und § 8 der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 96) gilt:

Die Invaliditätsleistung erfolgt nach dem festgestellten unfallbedingten Invaliditätsgrad … .

a) Für jeden Prozentpunkt, der den unfallbedingten Invaliditätsgrad von 25 Prozent übersteigt, zahlt der Versicherer zusätzlich 2 Prozent aus der Versicherungssumme … .”

Der Vertragsschluss wurde durch das Maklerbüro … vermittelt, das im Versicherungsvertrag durch eine Maklerklausel bevollmächtigt ist, Anzeigen, Willenserklärungen und Zahlungen im Rahmen der erteilten Inkasso-Vollmacht für die Antragsgegnerin entgegen zu nehmen.

Am 19.11.1998 stürzte die Antragstellerin auf dem Gelände der GmbH und erlitt eine dislozierte distale Radiusfraktur links. Der Unfall wurde dem Maklerbüro noch am Unfalltag angezeigt. In einem für die Bau-Berufsgenossenschaft erstellten Rentengutachten der Chirurgischen Klinik der-Universität vom 24.10.1999 (Bl. 32 ff. d.A.) wurde festgestellt, dass die Antragstellerin infolge des Unfalls nach wie vor unter Bewegungseinschränkungen im linken Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenk, unter Bewegungsdefiziten der Finger mit unvollständiger Beugung und Streckung sowie Störungen des Grob- und Feingriffes, einer Verdickung des linken Handgelenks, des körperfernen Unterarms und der Hand sowie unter einer Verminderung der groben Kraft der linken Hand litt und die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 30 % angegeben. Dieser Befund wurde in zwei weiteren Gutachten vom 7.6.2000 (Bl. 38 ff. d.A.) und 31.7.2001 (Bl. 44 ff. d.A.) bestätigt. Am 20.3.2002 machte die Antragstellerin bei einem Gespräch im Maklerbüro Invalidität geltend, woraufhin das Maklerbüro eine schriftliche Unfallanzeige (Bl. 67 d.A.) an die Beklagte richtete.

Die Antragstellerin hat behauptet, sie sei im Besitz des Versicherungsscheins und von der Versicherungsnehmerin zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche im eigenen Namen ermächtigt. Die Funktionsfähigkeit ihres linken Armes und der Schulter sei unfallbedingt eingeschränkt und der Grad der Invalidität mit mindestens 30 % zu bemessen. Die Antragsgegnerin hat eingewandt, die Antragstellerin habe die Invalidität nicht innerhalb der 15-Monatsfrist des § 7 Abs. 1 S. 3 AUB 96 geltend gemacht.

Das LG hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die beabsichtigte Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO), weil die Antragstellerin – unabhängig von der Frage ihrer Aktivlegitimation – die Frist zur Anzeige einer Invalidität innerhalb von 1 Jahr und 3 Monaten nach dem Unfall gem. § 7 Abs. 1 letzter Abschnitt AUB 96 versäumt habe. Der Eintritt von Invalidität infolge des Unfalls vom 19.11.1998 sei der Beklagten bzw. dem Maklerbüro erst am 20.3.2002 mitgeteilt worden. Die Fristenregelung sei nicht durch die Besonderungen Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel aufgehoben worden, weil diese auch aus der Sicht eines Laien nur eine Abänderung der Regelung über die Anspruchshöhe enthielten. Die Antragsgegnerin sei nicht verpflichtet gewesen, die Antragstellerin über die 15-Monatsfrist zur Geltendmachung der Invalidität zu belehren, weil weder sie noch das Maklerbüro innerhalb dieser Frist Kenntnis von den Verletzungsfolgen oder irgendwelchen Arztberichten gehabt hätten.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie geltend macht, nach der für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Unklarheitenregelung müsse sich die Antragsgegnerin entgegenhalten lassen, dass sie in den Besonderen Bedingungen § 7 Abs. 1 AUB 96 allgemein und nicht lediglich § 7 Abs. 1 S. 2 AUB 96 abgeändert habe, so dass die Fristenregelung keine Anwendung finde. Im Übr...

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