Leitsatz (amtlich)

Hat das Gericht dem Unterhaltspflichtigen im Vorprozess ein fiktives Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit zugerechnet, weil dieser unterhaltsrechtlich leichtfertig Altersteilzeit in Anspruch genommen hat, so ist - wenn und soweit ihm dadurch Rentennachteile entstehen, die nicht durch versorgungswirksame Entschädigungen des Arbeitgebers kompensiert werden - dem Unterhaltspflichtigen im Abänderungsverfahren ab Erreichen der Regelaltersgrenze für den Bezug von Altersrente fiktiv ein Renteneinkommen in der Höhe zuzuschreiben, in der er es bezöge, hätte er nicht Altersteilzeit in Anspruch genommen.

 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Beschluss vom 30.06.2010; Aktenzeichen 40 F 383/09 UE)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - in Saarbrücken vom 30.6.2010 - 40 F 383/09 UE - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Ziff. 2. des Urteils des AG - Familiengericht - in Saarbrücken vom 3.3.2008 - 40 F 65/06 S - in der Fassung des Urteils des Saarländischen OLG vom 22.12.2008 - 2 UF 10/08 - wird unter Abweisung des weitergehenden Antrags des Antragstellers teilweise dahin abgeändert, dass der Antragsteller verpflichtet ist, der Antragsgegnerin ab dem 9.10.2009 monatlich einen bis zum 3. Werktag eines jeden Monats fälligen nachehelichen Unterhalt von 483 EUR zu zahlen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten beider Instanzen tragen der Antragsteller 30 %, die Antragsgegnerin 70 %.

3. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wird angeordnet.

4. Der Antragsgegnerin wird mit Wirkung vom 2.2.2011 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin B., I., bewilligt, soweit sie sich mit der Beschwerde dagegen wendet, dass der ihr in Ziff. 2. des Urteils des AG - Familiengericht - in Saarbrücken vom 3.3.2008 - 40 F 65/06 S - in der Fassung des Urteils des Saarländischen OLG vom 22.12.2008 - 2 UF 10/08 - zuerkannte nacheheliche Unterhalt ab dem 9.10.2009 auf einen Betrag von weniger als 483 EUR monatlich herabgesetzt wird. Ihr weitergehendes Verfahrenskostenhilfegesuch wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Der am ... August 1944 geborene Antragsteller und die am ... Mai 1950 geborene Antragsgegnerin, beide Deutsche, hatten am 21.12.1973 geheiratet. Aus der Ehe gingen die nicht mehr unterhaltsbedürftigen Kinder S. C., geboren am ... November 1978, und S. K., geboren am ... August 1983, hervor. Die Beteiligten trennten sich im März 2000.

Mit seit dem 7.4.2009 rechtskräftigem Verbundurteil vom 3.3.2008 - 40 F 65/06 S - schied das Familiengericht in Ziff. 1. auf den der Antragsgegnerin am 16.6.2006 zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers die Ehe der Beteiligten und regelte in Ziff. 3. den Versorgungsausgleich. In Ziff. 2. des Urteils verurteilte es den Antragsteller, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt von monatlich 686 EUR zu zahlen. Auf die hiergegen von beiden Beteiligten eingelegten Berufungen änderte das Saarländische OLG mit Urt. v. 22.12.2008 - 2 UF 10/08 - den Ausspruch zum nachehelichen Unterhalt dahin ab, dass der monatlich vom Antragsteller zu zahlende Aufstockungsunterhalt auf 814 EUR monatlich ab Rechtskraft der Scheidung erhöht wurde. Dem lag auf Seiten des Antragstellers wegen unterhaltsrechtlich nicht zu billigender Inanspruchnahme von Altersteilzeit ein fiktives Einkommen aus fortgeführter Vollzeiterwerbstätigkeit bei der Firma S. von 2.800 EUR netto und auf Seiten der Antragsgegnerin ein fiktives Einkommen aus vollschichtiger ungelernter Tätigkeit von 900 EUR netto zugrunde. Eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs wurde abgelehnt.

Um die Abänderung dieser Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers streiten die Beteiligten zweitinstanzlich für den Zeitraum ab 9.10.2009.

Der Antragsteller hatte zuletzt ab Oktober 1996 in einem außertariflichen Anstellungsverhältnis bei der Firma S. GmbH in S. gearbeitet. Anfang Dezember 2002 hatte er mit dieser Firma eine Vereinbarung geschlossen, durch die mit Wirkung vom 1.1.2003 das bisher bestehende Vollzeitarbeitsverhältnis in ein bis zum 31.12.2004 befristetes Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis umgewandelt worden war. Daneben hatte der Antragsteller eine Aufstockung seines nunmehr auf der Grundlage einer Teilzeitbeschäftigung errechneten Einkommens, eine Abfindung und eine Versorgungszusage zum Ausgleich entstehender Nachteile in der Rentenversicherung erhalten. Seit Januar 2005 bezog der Antragsteller "Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bzw. nach Altersteilzeittarif" sowie Betriebsrente. Seit September 2009 erhält der Antragsteller Altersrente sowie weiterhin Betriebsrente.

Die Antragsgegnerin hat eine Ausbildung als kaufmännische Bürogehilfin bei einem Steuerberater absolviert und war bis 1979 in einem Steuerberatungsbüro bzw. einem Ingenieurbüro angestellt. Danach war sie - abgesehen von zwei vorübergehenden nicht versicherungspflichtigen Tätigkeiten als Verkäuferin in Kleiderboutiquen - nicht mehr erwe...

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