Leitsatz (amtlich)

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Fragen vorgelegt:

1. Ist Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) auf die Drittwirkungen bei Mehrfachabtretung anwendbar?

2. Sofern die erste Frage zu bejahen ist: Welchem Recht unterliegen in diesem Fall die Drittwirkungen?

3. Sofern die erste Frage zu verneinen ist: Findet die Bestimmung entsprechende Anwendung?

4. Sofern die dritte Frage zu bejahen ist: Welchem Recht unterliegen in diesem Fall die Drittwirkungen?

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 4 O 119/16)

 

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Fragen vorgelegt:

1. Ist Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom IVO) auf die Drittwirkungen bei Mehrfachabtretung anwendbar?

2. Sofern die erste Frage zu bejahen ist: Welchem Recht unterliegen in diesem Fall die Drittwirkungen?

3. Sofern die erste Frage zu verneinen ist: Findet die Bestimmung entsprechende Anwendung?

4. Sofern die dritte Frage zu bejahen ist: Welchem Recht unterliegen in diesem Fall die Drittwirkungen?

 

Gründe

A. Die klagende Bank mit Sitz in D. und die beklagte Bank mit Sitz in L. begehren wechselseitig die Freigabe eines in Deutschland hinterlegten Geldbetrags.

Frau E. F. (fortan: Insolvenzschuldnerin), eine luxemburgische Staatsbürgerin mit Wohnsitz in P. (Deutschland), hatte im Rahmen des mit der Klägerin abgeschlossenen, deutschem Recht unterliegenden Darlehensvertrags vom 29. März 2011 über einen Nettokreditbetrag von 64.791,27 EUR den jeweils pfändbaren Teil ihrer gegenwärtigen und künftigen Lohn- und Gehaltsforderungen, einschließlich insbesondere der Pensionsansprüche, gegen ihren Arbeitgeber in L., an die Klägerin abgetreten. Mit Datum vom 15. Juni 2011 schloss die Insolvenzschuldnerin einen weiteren Darlehensvertrag mit der Beklagten über ein geliehenes Kapital von 26.000 EUR. Über die darin enthaltene Abtretung derselben Gehalts- und Pensionsansprüche der Insolvenzschuldnerin wurde die zuständige luxemburgische von der Beklagten am 20. September 2012 benachrichtigt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 5. Februar 2014 wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und die bestellte Treuhänderin zog vom Arbeitgeber der Insolvenzschuldnerin in L. pfändbare Gehaltsanteile bis zum Ablauf des Abtretungszeitraums am 4. Februar 2016 in Höhe von 13.901,64 EUR ein und hinterlegte diesen Betrag, da die Klägerin wegen einer Forderungssumme von 71.091,54 EUR und die Beklagte wegen einer Forderungssumme von 31.942,95 EUR Absonderungsrechte geltend machten, unter Berufung auf eine Gläubigerunsicherheit beim Amtsgericht Merzig.

Mit Klage und Widerklage haben die Parteien beantragt, die jeweilige andere Partei zur Freigabeerklärung in Bezug auf den hinterlegten Betrag von 13.901,64 EUR nebst Hinterlegungszinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr Begehren in vollem Umfang weiter und bittet hilfsweise um Zulassung der Revision.

B. Der Erfolg der Berufung hängt ab von der Anwendbarkeit und der Auslegung des Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO). Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel der Beklagten ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

I. Dabei bejaht der Senat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte im Streitfall auf Grund rügeloser Einlassung aus Art. 26 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-VO). Weiter geht der Senat davon aus, dass die Forderungszuständigkeit hier nicht insolvenzrechtlich nach der lex causae zu qualifizieren ist, weil keines der in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO a. F.) genannten Beispiele gegeben ist und die streitigen Ansprüche der Parteien nicht dem Insolvenzrecht zuzuordnen sind (vgl. MünchKomm-InsO/Reinhart, 3. Aufl. Art. 4 EuInsVO Rn. 3).

II. Nach dem somit gemäß Art. 10 Abs. 4, 24 der Verordnung (EG) Nr. 864/...

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