Leitsatz (amtlich)

Einem durch einen gravierenden Loyalitätskonflikt beeinflussten Kindeswillen kommt nur eine abgeschwächte Bedeutung zu (BVerfG FamRZ 2015, 210); ist der Wille selbstgefährdend, darf ihm nicht nachgegeben werden.

Würdigt der umgangsberechtigte Elternteil den betreuenden Elternteil vor dem Kind trotz Anwesenheit eines Umgangsbegleiters kontinuierlich massiv herab und postet er schwere Vorwürfe gegen jenen Elternteil - für das Kind zugänglich und ausdrücklich an dieses gerichtet - auf seiner Facebook-Seite, so ist der Umgang auszuschließen, wenn durch dieses Verhalten der heftige Loyalitätskonflikt des Kindes in einem dieses gefährdenden Ausmaß verschärft wird.

Die Hinweispflicht nach § 89 Abs. 2 FamFG erfasst auch einen Umgangsausschluss; das Beschwerdegericht kann diese Folgenankündigung von Amts wegen nachholen.

 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Beschluss vom 11.02.2016; Aktenzeichen 39 F 474/15 UG)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - in Saarbrücken vom 11.2.2016 - 39 F 474/15 UG - wird auf Kosten des Antragsgegners mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beteiligten ergänzend darauf hingewiesen werden, dass das Gericht bei schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die sich aus jenem Beschluss ergebenden Verpflichtungen gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld bis zur Höhe von 25.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anordnen kann. Verspricht die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg, kann das Gericht Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verhängen.

2. Der Verfahrenswert der Beschwerdeinstanz wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

3. Der Antragstellerin wird mit Wirkung vom 2.5.2016 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin Naumann, Saarbrücken, bewilligt.

4. Dem Antragsgegner wird die von ihm für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert.

 

Gründe

I. Aus der am XX. XX. XXXX geschlossenen und seit dem 20.4.2010 rechtkräftig geschiedenen Ehe der Antragstellerin (Mutter) und des Antragsgegners (Vater), beide Deutsche, gingen die beteiligte Tochter A., geboren am XX. XX. XXXX, und - nach der Trennung der Eltern im Jahr 2009 - die am vorliegenden Verfahren nicht beteiligte Tochter C., geboren am XX. XX. XXXX, hervor, die beide bei der Mutter leben. Diese ist außerdem aus vorangegangenen Verbindungen Mutter der Söhne J., geboren am XX. XX. XXXX, und M., geboren am XX. XX. XXXX, sowie aus einer späteren Beziehung Mutter des am 9.8.2012 geborenen Sohnes N.. Letztere beiden Söhne werden ebenfalls von der Mutter betreut.

Durch Beschluss vom 25.1.2011 - 17 F 370/10 SO - übertrug das AG - Familiengericht - in Neunkirchen unter Aufrechterhaltung der gemeinsamen Sorge im Übrigen der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A. und C.. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vaters wies der Senat mit Beschluss vom 24.3.2011 - 6 UF 24/11 - zurück.

Mit Beschluss vom 15.5.2013 - 17 F 291/12 SO - übertrug das AG - Familiengericht - in Neunkirchen der Mutter die Alleinsorge für diese beiden Kinder, unter Ausnahme des Teilbereichs Beantragung von Jugendhilfemaßnahmen und Antragstellung nach den Büchern des SGB, den es dem Kreisjugendamt Neunkirchen als Pfleger übertrug. Die gegen diesen Beschluss seitens des Vaters erhobene Beschwerde wies der Senat durch Beschluss vom 10.10.2013 - 6 UF 122/13 - zurück.

Im Verfahren 17 F 429/12 UG holte das AG - Familiengericht - in Neunkirchen u.a. ein unter dem 15.3.2013 erstattetes schriftliches Sachverständigengutachten der Dipl.-Psychologin B. ein und ließ dieses am 7.5.2013 mündlich erläutern.

Nachdem der Senat mit Beschluss vom 11.10.2013 - 6 UF 128/13 -, der in ZKJ 2014, 75 veröffentlicht ist, einen vorangegangenen Beschluss des Familiengerichts vom 17.5.2013 wegen Verfahrens- und materiell-rechtlicher Fehler aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen hatte, holte dieses eine das Sachverständigengutachten vom 15.3.2013 ergänzende sachverständige Stellungnahme u.a. dazu ein, wie die Umgangskontakte mit A. und C. ausgestaltet werden sollen, d.h. ob zum Wohl der Kinder eine Einschränkung im Sinne einer Umgangsbegleitung oder ein Ausschluss oder eine Einschränkung auf Zeit erforderlich ist.

Die Sachverständige Dipl.-Psychologin B. erstattete ihr Ergänzungsgutachten unter dem 27.3.2014. Im Wesentlichen stellte sie fest, dass der Vater die Kinder in einen massiven Loyalitätskonflikt treibe, indem er die Mutter ständig und heftig im Beisein der Kinder abwerte. A. rebelliere deswegen - und zwar im Vergleich zur Situation im vorangegangenen Gutachten verstärkt - gegen die Mutter. A. könne, wenn sie weiterhin diesen Situationen ausgesetzt sei, kein angemessenes "Über-Ich" (moralische Einstellungen) entwickeln. C. imitiere ihre Schwester bereits; es bestehe im Falle verstärkter Kontakte derzeit mit erhöhter Wahrscheinlichkeit ...

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