Für die ROM-III-Verordnung kennzeichnend sind sog. Vorbehaltsklauseln, die die allgemeine ordre public-Klausel des Art. 12 ROM-III-Verordnung ergänzen.[1]

[1] Althammer, NZFam 2015, S. 9 (14).

4.4.1 Art. 10 ROM-III-Verordnung

Nach Art. 10 ROM-III-Verordnung ist die lex fori anzuwenden, wenn das nach Art. 5 oder Art. 8 ROM-III-Verordnung zur Anwendung berufene Sachrecht eine Ehescheidung nicht vorsieht (Art. 10 Alt. 1) oder einem der Ehegatten aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit keinen gleichberechtigten Zugang zur Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes gewährt (Art. 10 Alt. 2).

4.4.1.1 Art. 10 Alt. 1 ROM-III-Verordnung

Die erste Alternative entspricht Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB a.F. Sie setzt voraus, dass das gewählte oder objektiv ermittelte Recht eine Scheidung nicht zulässt, daher eine Scheidung grundsätzlich nicht kennt.[1] Nachdem Malta im Jahr 2011 die Scheidung eingeführt hat, ist die Bedeutung der Vorschrift auf Drittstaaten beschränkt, die absolute Scheidungsverbote haben. Das sind die Philippinen und der Vatikanstaat sowie kanonische Rechte.[2]

Auf das Institut der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ist die erste Alternative des Art. 10 ROM-III-Verordnung nicht anwendbar.[3]

Für die Anwendung des Art. 10 ROM-III-Verordnung reicht es nicht aus, dass die Scheidung nach dem zur Anwendung berufenen Recht wesentlich erschwert ist im Vergleich zum Recht der lex fori.[4]

 
Praxis-Beispiel

Das irische Recht setzt für eine Scheidung voraus, dass die Ehegatten zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens in den letzten fünf Jahren durchgehend oder insgesamt mindestens vier Jahre voneinander getrennt leben. Auch wenn das deutsche Recht lediglich eine einjährige Trennungszeit für eine einvernehmliche Scheidung vorsieht, genügt das für eine Ersatzanknüpfung an die lex fori nach Art. 10 Alt. 1 ROM-III-Verordnung nicht.

In Einzelfällen kann jedoch die Anwendung des ordre public-Vorbehaltes nach Art. 12 ROM-III-Verordnung in Betracht kommen, z.B. wenn die Scheidungsvoraussetzungen in zumutbarer Weise (aus der Sicht der lex fori) nicht erfüllt werden können.[5]

[1] Palandt/Thorn, Art. 10 ROM-III-Verordnung Rn. 2.
[2] BGHZ 169, 240 = BGH FamRZ 2007, S. 109.
[3] OLG München, BeckRS 2015, 00425.
[4] Palandt/Thorn, Art. 10 ROM-III-Verordnung Rn. 2.
[5] NK-BGB/Budzikiewicz, Art. 9 Rom III Rn. 6.

4.4.1.2 Art. 10 Alt. 2 ROM-III-Verordnung

Die Vorschrift betrifft die Fälle, in denen die Scheidungsvoraussetzungen davon abhängig sind, ob die Scheidung durch den Ehemann oder die Ehefrau beantragt wird. Insbesondere soll die Anwendung des Frauen benachteiligenden islamischen Scheidungsrechts, welches dem Ehemann ein einseitiges Scheidungsrecht gewährt (talaq), verhindert werden.[1] In der Sache kommt es zu einer Inhaltskontrolle des materiellen Trennungs- und Scheidungsrechts auf eine mögliche Diskriminierung hin.[2]

Ausweislich des Wortlauts und des Erwägungsgrundes Nr. 16 soll es allein auf die generelle Diskriminierung auf Grund des Geschlechts ankommen und nicht ob sich diese im konkreten Ergebnis auch auswirkt. Danach wäre die Anwendung islamischen oder jüdischen Scheidungsrechts generell ausgeschlossen, ohne dass es hierfür auf das Ergebnis des konkreten Einzelfalles ankäme.[3] Die Vorschrift ist aus diesem Grund heftig umstritten.[4]

Aus diesem Grund wird in der Literatur für eine teleologische Reduktion der Vorschrift plädiert, da die Vorschrift eindeutig über ihren eigentlichen Regelungszweck der Diskriminierung hinausgeht, und sich zudem dem Vorwurf der religiösen Diskriminierung aussetzt.[5] Danach besteht kein Bedarf für die Anwendung der lex fori, wenn z.B. die Ehefrau mit der vom Ehemann initiierten Scheidung einverstanden ist, oder wenn das betreffende Recht im Einzelfall gar nicht diskriminiert, so z.B. wenn auch der andere Ehegatte die Scheidung einreichen könnte.

[1] Helms, FamRZ 2011, 1765 (1771); Winkler von Mohrenfels ZEuP 2013, 699 (713).
[2] Althammer, NZFam 2015, S. 9 (14); Palandt/Thorn, Art. 10 ROM-III-Verordnung Rn. 3; MükoBGB/Winkler von Mohrenfels ROM-III-Verordnung Art. 10 Rn. 3.
[3] MükoBGB/Winkler von Mohrenfels ROM-III-Verordnung Art. 10 Rn. 3.
[4] Vgl. zum Meinungsstand MükoBGB/Winkler von Mohrenfels ROM-III-Verordnung Art. 10 Rn. 1-6.
[5] Palandt/Thorn, Art. 10 ROM-III-Verordnung Rn. 4; NK-BGB/Budzikiewicz Art. 9 Rom III Rn. 27; Hau, FamRZ 2013, S. 249 (254); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1772); Schurig, FS von Hoffmann 2011, S. 405, 410.

4.4.2 Art. 12 ROM-III-Verordnung

Der ordre public-Vorbehalt des Art. 12 ROM-III-Verordnung ermöglicht den Gerichten, die Anwendung einer Vorschrift des ausländischen Rechts zu versagen, wenn deren Anwendung in einem konkreten Fall mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts unvereinbar wäre. Erwägungsgrund Nr. 25 hebt den Ausnahmecharakter der Vorschrift hervor. Für den ordre public-Vorbehalt des Art. 6 EGBGB bleibt im Anwendungsbereich des ROM-III-Verordnung kein Raum mehr.

Wegen des Vorrangs der Vorbehaltsklausel des Art. 10 ROM-III-Verordnung, verliert der ordre public-Vorbehalt an Bedeutung.[1] Er spielt eine Rolle, wenn das ausländische Scheidungsrecht eine Scheidung z...

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