Auffallend ist, dass im Vergleich zum bisherigen deutschen Kollisionsrecht die gemeinsame Staatsangehörigkeit im Anwendungsbereich des Art. 8 ROM-III-Verordnung lediglich eine untergeordnete Rolle spielt. Die kollisionsrechtliche Maßgeblichkeit des gewöhnlichen Aufenthaltes führt im Ergebnis dazu, dass deutsches materielles Recht häufiger als früher zur Anwendung kommt. Zur Anwendung ausländischen Scheidungsrechts im Scheidungsverfahren kommt es nur dann, wenn

  • der aktuelle gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten nicht im Inland liegt,
 
Achtung

Wegen Art. 3 Abs. 1 Brüssel IIa-VO können deutsche Gericht auch mangels (gemeinsamen) gewöhnlichen Aufenthaltes international zuständig sein.

  • sich der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt im Ausland befand, dieser nicht vor mehr als einem Jahr vor Anrufung des Gerichts endete und einer der Ehegatten zu diesem Zeitpunkt noch dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;
 
Praxis-Beispiel

Der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten F und M befand sich in Griechenland. F trennt sich 2017 von M, zieht nach Deutschland und reicht die Scheidung ein.

Das auf die Scheidung anwendbare Recht bestimm sich nach Art. 8 lit. b ROM-III-Verordnung, sodass das Scheidungsrecht des Staates Griechenland anzuwenden ist.

  • beide Ehegatten den gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland aufgeben haben, denn dann kommt es auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten an;
  • eine wirksame Rechtswahl vorliegt, die die Anwendung ausländischen Rechts vorsieht.

Für die Anwendbarkeit der ROM-III-Verordnung ist unerheblich, ob der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten sich innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union befindet.

Entgegen des Erwägungsgrundes Nr. 9, kann das sog. "forum-shopping" auch nach Inkrafttreten der Rom III-Verordnung wegen der in Art. 8 lit. d ROM-III-Verordnung normierten Maßgeblichkeit der lex fori nicht vollständig verhindert werden. Dies wird durch nachfolgendes Beispiel verdeutlicht:

 
Praxis-Beispiel

M und F sind verheiratet. Zum Zeitpunkt der Eheschließung hatten beide die marokkanische Staatsbürgerschaft inne. M ist zwischenzeitlich (nur) deutscher Staatsbürger. Nach der Trennung von F im März 2016, verzieht M nach Spanien. F verbleibt in Deutschland und reicht nach Ablauf des Trennungsjahres im Mai 2017 den Scheidungsantrag in München ein. Mangels gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes und mangels gemeinsamer Staatsangehörigkeit kommt deutsches Recht zur Anwendung. Wenn dagegen M den Scheidungsantrag zuerst im "scheidungsfreundlichen" Spanien gestellt hätte, wäre spanisches Recht zur Anwendung gekommen.

Derjenige Ehegatte, der in diesen Fällen zuerst die Scheidung einreicht, kann somit das anzuwendende Recht bestimmen.

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