Entscheidungsstichwort (Thema)

Genossenschaft. Vertreterversammlung. Anfechtungsklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sind die Vorschriften des Aktiengesetzes über die Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklage im Genossenschaftsrecht entsprechend anwendbar?

2. Welche Genossen sind auf Grund einer gemäß § 45 Abs. 3 GenG. erteilten Ermächtigung zur Einberufung der Generalversammlung (oder Vertreterversammlung) befugt?

3. Darf im Falle des § 45 Abs. 3 GenG. die Generalversammlung (oder Vertreterversammlung) vor der Rechtskraft des Ermächtigungsbeschlusses einberufen werden? Welche Bedeutung hat eine auf Grund des § 24 Abs. 2 FGG. angeordnete Aussetzung der „Vollziehung” des Ermächtigungsbeschlusses?

4. In welcher Weise ist bei der Einberufung der Generalversammlung auf die gerichtliche Ermächtigung hinzuweisen?

5. Sind, wenn die Satzung der Genossenschaft neben der öffentlichen Bekanntmachung der Einberufung zu einer Generalversammlung auch die schriftliche Einladung der Genossen vorschreibt, bei der Einberufung auf Grund gerichtlicher Ermächtigung auch die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder schriftlich einzuladen? Kann auf die Unterlassung solcher Einladung eine Anfechtungklage gestützt werden?

 

Normenkette

GenG § 45 Abs. 3, § 51; FGG § 16 Abs. 1, § 24 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg

OLG Hamburg

 

Tatbestand

Die verklagte Genossenschaft trat 1934 auf Grund eines Auflösungsbeschlusses der satzungsgemäß an Stelle der Genossenvollversammlung zuständigen Vertreterversammlung (§ 43 a GenG.) in Abwicklung. Zu Abwicklern wurden B. und Schö. bestellt. Nach Übertragung des Vermögens der Genossenschaft auf einen anderen Verein meldeten sie im November 1937 die Beendigung der Abwicklung und ihrer Vertretungsbefugnis sowie das Erlöschen der Firma an. Dies wurde ins Genossenschaftsregister eingetragen. Am 26. Februar 1938 wurde jedoch die Eintragung des Erlöschens der Firma und am 27. April 1938 die Eintragung der Beendigung der Vertretungsbefugnis der Abwickler B. und Schö. von Amts wegen wieder gelöscht; diese stehen demnach mangels späterer Änderung der Eintragungen noch heute als Abwickler der Beklagten im Genossenschaftsregister eingetragen. Nach der Satzung der Genossenschaft besteht deren Aufsichtsrat aus mindestens 12 Mitgliedern und haben in der Vertreterversammlung die erschienenen Vertreter sowie die erschienenen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder je eine Stimme; auf je 100 Genossen ist mindestens ein Vertreter und ein Ersatzmitglied zu wählen. Außerdem sind hier folgende Bestimmungen der Satzung von Bedeutung:

§36. Die Generalversammlung wird in der Regel durch den Vorstand berufen; doch ist dazu auch der Aufsichtsrat befugt.

Die Berufung erfolgt durch einmalige öffentliche Bekanntmachung (in dem gemäß § 44 der Satzung hierfür vorgesehenen Blatt).

Die Vertreter und, sofern die Verhinderung von Vertretern bekannt ist, die Ersatzmitglieder sollen außerdem schriftlich eingeladen werden.

§ 38. Eine außerordentliche Generalversammlung ist zu berufen, wenn mindestens der zehnte Teil der Genossen… die Berufung beantragt. Eine außerordentliche Vertreterversammlung ist außer im Falle des Satzes 1 zu berufen, wenn mindestens 20 Vertreter die Berufung … beantragen. Falls der Vorstand und der Aufsichtsrat die Berufung ablehnen oder beschlußunfähig sind, sind die Genossen berechtigt, sich von dem das Genossenschaftsregister führenden Gericht ermächtigen zu lassen, ihrerseits eine Generalversammlung zu berufen. Bei der Bekanntmachung dieser Berufung (vgl. § 36 der Satzung) ist die gerichtliche Ermächtigung anzugeben.

In den Kreisen der Genossen war es wegen der Verwaltungstätigkeit der Abwickler zu Unstimmigkeiten gekommen; eine von den Genossen G., S. und anderen geführte Gegenpartei (Oppositionspartei) war gebildet worden. Dies hatte zur Folge, daß bei einer am 28./30. April 1937 vorgenommenen Neuwahl zur Vertreterversammlung von der seitens der Verwaltung aufgestellten Liste 1 nur 10, von der Liste 2 der Gegenpartei dagegen 17 Vertreter gewählt wurden. Das Ergebnis der Wahl wurde bekanntgemacht, ohne daß diese in dem in der Wahlordnung satzungsgemäß vorgesehenen Verfahren angefochten wurde. Später wurde aber ihre Rechtsgültigkeit von den Angehörigen der Gegenpartei angezweifelt, weil die Verwaltungspartei ihre ursprüngliche Vorschlagsliste (Liste 1 a) in der Reihenfolge der Vorgeschlagenen nachträglich geändert hatte (Liste 1 b).

In einer außerordentlichen Vertreterversammlung, die von zwei Mitgliedern des bisherigen Aufsichtsrats auf den 2. September 1937 zur Neuwahl des Aufsichtsrats einberufen worden war, wurden an Stelle ausgeschiedener oder ausscheidender Aufsichtsratsmitglieder 10 neue gegen die Stimmen der Gegenpartei gewählt, während 2 mit Zustimmung der Versammlungsmehrheit noch im Amte blieben. Angehörige der Gegenpartei fochten dann aber diese Beschlüsse an und erwirkten ein rechtskräftig gewordenes Urteil des Oberlandesgerichts H. vom 4. August 1938, das die Aufsichtsratswahlen für ungültig erklärte, weil die Vertreter...

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