Leitsatz

Die Parteien stritten im Beschwerdeverfahren über das dem Antragsteller als Vater erstinstanzlich - in Abänderung der gegenläufigen Senatsentscheidung vom 20. Juni 2001 zum Aktenzeichen 14 UF 52/01 - mit Beschluss des AG Wittenberg vom 19. März 2004 übertragenen Sorgerechts für das nicht ehelich geborene Kind. Die leibliche Mutter hatte das Kind einen Tag nach der Geburt zur Adoption freigegeben und erstmals mit notarieller Urkunde vom 1. November 1999 und sodann erneut am 24. September 2002 ihre Einwilligung zur Adoption durch die Pflegeeltern, bei denen sich das gem. § 1751 Abs. 1 S. 2 BGB kraft Gesetzes unter Vormundschaft des Jugendamts stehende Kind seit dem 29. August 1999 aufhielt und gem. § 1744 BGB in Adoptionspflege befand.

Erst im Oktober 1999 hatte der Kindesvater von der Geburt seines Kindes und dessen Adoptionsfreigabe seitens der Mutter erfahren. Die Vaterschaft wurde aufgrund seiner Klage mit so genanntem Teilurteil des AG Wittenberg, rechtskräftig seit dem 8. August 2000, gerichtlich festgestellt.

Durch Beschluss des AG Wittenberg vom 9. März 2001 wurde die elterliche Sorge für den Sohn auf den Antragsteller übertragen. Hiergegen legte das Jugendamt als Amtsvormund Beschwerde ein. Daraufhin wurde der Beschluss des AG Wittenberg durch Beschluss des OLG Naumburg aufgehoben und der Antrag des Vaters auf Übertragung des Sorgerechts abgewiesen.

Die gegen den Senatsbeschluss gerichtete Verfassungsbeschwerde des Kindesvaters wurde vom BVerfG gem. Beschluss vom 31. Juli 2001 einstimmig nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (abgekürzt EGMR) entschied auf die Individualbeschwerde des Vaters, dass sowohl die vom Senat des OLG am 20. Juni 2001 getroffene Sorgerechtsentscheidung als auch der zugleich für ein Jahr angeordnete Ausschluss des Umgangsrechts zwischen dem Kindesvater und seinem nichtehelichen Sohn eine Verletzung von Art. 8 der Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) darstelle.

Die Einwilligung des Vaters in die von den Pflegeeltern zu Beginn des Jahres 2001 beantragte und vom Amtsvormund befürwortete Adoption des Kindes war durch Beschluss des Vormundschaftsgericht Wittenberg ersetzt worden. Das von dem Kindesvater hiergegen angestrengte Beschwerdeverfahren war durch Beschluss des OLG vom 24. Juli 2003 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des streitgegenständlichen Sorgerechtsverfahrens ausgesetzt worden.

Der Kindesvater hatte erneut einen Antrag auf Übertragung des Sorgerechts auf ihn eingereicht, nachdem die Kindesmutter am 24. September 2002 wiederholt die Adoptionsfreigabe erklärt hatte.

Das AG Wittenberg hat mit Beschluss vom 19. März 2004 dem Kindesvater das alleinige Sorgerecht übertragen und parallel hierzu ihm ein wöchentliches Umgangsrecht eingeräumt.

Gegen den Beschluss zur Übertragung des Sorgerechts richteten sich die Beschwerden des Jugendamtes als Amtsvormund und der Verfahrenspflegerin. Beide vertraten weiterhin die Auffassung, die Voraussetzungen für eine Abänderung der durch Beschluss vom 20. Juni 2001 getroffenen Sorgerechtsentscheidung gem. § 1696 Abs. 1 BGB seien nicht gegeben, da neue Tatsachen, die eine abweichende, dem Kindesvater günstige Sorgerechtsentscheidung zuließen, nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich seien. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stelle mangels unmittelbarer Bindungswirkung keinen neuen Umstand und triftigen Grund dar, der allein ein Abänderung der bisherigen Sorgerechtsentscheidung zu rechtfertigen vermöge.

Der Antragsteller verteidigte die angefochtene Entscheidung. Die Übertragung der elterlichen Sorge auf ihn rechtfertige sich sehr wohl mit geänderten Umständen. So liege eine neue, seinerzeit nicht berücksichtigungsfähige notarielle Einwilligungserklärung der Mutter zur Adoption des Jungen vor. Ferner sei das Kind inzwischen älter geworden, so dass nunmehr weitaus bessere Voraussetzungen für die Entwicklung einer Vater-Kind-Beziehung gegeben seien als damals.

Die Rechtsmittel des Jugendamts als Amtsvormund sowie der Verfahrenspflegerin gegen den das Sorgerecht auf den Kindesvater übertragenden Beschluss des AG Wittenberg vom 19. März 2004 waren erfolgreich.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG hielt die Voraussetzungen für eine Abänderung der unbeschadet des Urteils des EGMR rechtskräftigen, eine Übertragung des Sorgerechts auf den Kindesvaters ablehnenden Entscheidung des Senats vom 20. Juni 2001, für nicht gegeben, da triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe, die allein nach jener Vorschrift eine Änderung der rechtskräftigen Sorgerechtsentscheidung rechtfertigen könnten, weder dargetan noch feststellbar seien.

Ganz im Gegenteil entspreche eine Übertragung des Sorgerechts auf den Vater nach wie vor nicht nur nicht dem Kindeswohl, sondern liefe nach Auffassung des OLG auf eine hochgradige Gefährdung, schlimmstenfalls auf eine unmittelbar zu gewärtigende Beeinträchtigung des bislang unversehrten Kindeswohls hinaus.

Es sei...

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