Leitsatz

Die Ehefrau hatte den Ehescheidungsantrag beim Verwaltungsgericht eingereicht, um auf diese Weise die Rechtshängigkeit der Sache sofort mit Einreichung des Antrages zu erreichen. Es stellte sich zum einen die Frage, ob die bewirkte Rechtshängigkeit des Ehescheidungsantrages bei dem hierfür nicht zuständigen Gericht auch nach Verweisung der Sache an das FamG fortwirkt. Zum anderen ging es im Rahmen der Prozesskostenhilfe um den Einwand der missbräuchlichen Rechtsausübung.

 

Sachverhalt

Die Antragstellerin wollte das Ehescheidungsverfahren am Gericht ihres Wohnortes durchführen und nicht bei dem Gericht am entfernten Ort ihres Ehemannes. Die dafür maßgebliche Zuständigkeit gemäß § 606 Abs. 1 S. 2 ZPO drohte jedoch in Kürze zu enden, da die bei ihr lebende Tochter volljährig wurde. Der Anwalt der Ehefrau reichte daraufhin den Scheidungsantrag beim Verwaltungsgericht ein, um dort gemäß §§ 81 Abs. 1, 90 Abs. 1 VWGO die Rechtshängigkeit der Sache sofort mit Einreichung des Antrages zu erreichen.

Nachdem das Verwaltungsgericht den Scheidungsantrag an das FamG verwiesen hatte, lehnte dieses die beantragte Prozesskostenhilfe ab, da es jetzt angesichts der zwischenzeitlich eingetretenen Volljährigkeit der Tochter nicht mehr zuständig sei. Die mit der Einreichung des Scheidungsantrages bei dem Verwaltungsgericht bewirkte Rechtshängigkeit sei nur infolge einer missbräuchlichen Rechtsausübung eingetreten.

Die Antragstellerin legte gegen den PKH-versagenden Beschluss Beschwerde ein. Ihr Rechtsmittel war erfolgreich.

 

Entscheidung

Das OLG hielt die sofortige Beschwerde der Antragstellerin für überwiegend begründet, da das AG den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit für das Ehescheidungsverfahren zurückgewiesen habe.

Das AG Schleswig sei gemäß § 606 Abs. 1 S. 2 ZPO örtlich für das am 19.9.2007 durch Einreichung des Ehescheidungsantrages beim Schleswig-Holsteinischen VG rechtshängig gewordenen Ehescheidungsverfahrens zuständig, da zu diesem Zeitpunkt die Antragstellerin mit der damals noch minderjährigen Tochter der Parteien im Bezirk des AG Schleswig gelebt habe.

Das OLG hat zwar den Vorwurf der missbräuchlichen Rechtsausübung grundsätzlich bestätigt, gleichwohl aber der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für das Scheidungsverfahren bewilligt. Die Prüfung der Frage, welche Folgen die gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßende Rechtsausübung habe, erfordere ein umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die erreichte Rechtsfolge, nämlich die Zuständigkeit des FamG am Wohnort der Antragstellerin, nicht als unangemessen anzusehen sei. Eine vermögende Partei hätte durch Einreichung des Antrages beim AG bei gleichzeitiger Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses ebenfalls die Zuständigkeit des FamG noch vor Volljährigkeit der Tochter bewirken können. Gemäß Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG müsse einer bedürftigen Partei grundsätzlich in gleicher Weise der Zugang zu den Gerichten eröffnet sein wie einer vermögenden Partei.

 

Hinweis

Trotz des Inhalts der Entscheidung des OLG Schleswig sollte mit der Anrufung eines falschen Gerichts zur Fristwahrung vorsichtig umgegangen werden. Sie bleibt riskant. Selbst wenn die so bewirkte Rechtshängigkeit grundsätzlich erhalten bleibt, muss jedenfalls mit dem Vorwurf der missbräuchlichen Rechtsausübung gerechnet werden.

In seinem Urteil vom 12.12.2007 (3 UF 88/07) hat das KG es abgelehnt, über einen ursprünglich bei dem Sozialgericht eingereichten Antrag auf Scheidung der Ehe in der Sache zu entscheiden. Es hat sich darauf berufen, dass der Grundgedanke des § 17b Abs. 1 S. 2 GVG dann nicht durchgreife, wenn ein offenkundig unzuständiges Gericht eingeschaltet werde, um sich einen prozessualen Vorteil zu verschaffen.

Vorsicht ist also auch weiterhin geboten.

 

Link zur Entscheidung

Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 24.07.2008, 12 WF 8/08

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