Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des BGH[1], auf die die Gesetzesbegründung des WEMoG ausdrücklich Bezug nimmt[2], liegt eine Gemeinschaftsbezogenheit dann vor, wenn schutzwürdige Belange

  • der Wohnungseigentümer oder
  • des Schuldners

an einer einheitlichen Rechtsverfolgung das grundsätzlich vorrangige Interesse des Rechtsinhabers, seine Rechte selbst und eigenverantwortlich auszuüben und prozessual durchzusetzen, deutlich überwiegen. Dabei ist eine typisierende Betrachtung geboten.

5.2.1 Schutzwürdige Belange der Wohnungseigentümer

Insbesondere im kommunalen Abgabenrecht finden sich in aller Regel Bestimmungen über eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer. Hieran ändern auch die Neuregelungen des WEMoG nichts. Spezialgesetzlich können auch weiterhin Besonderheiten geregelt werden, die eine unmittelbare Betroffenheit der einzelnen Wohnungseigentümer ergeben. Ist etwa nach einer kommunalen Satzung die gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer für Abgaben geregelt, kann einer der Wohnungseigentümer alleine als Schuldner in Anspruch genommen werden.

Eine von den Wohnungseigentümern als Miteigentümer des gemeinschaftlichen Grundstücks gesamtschuldnerisch zu tragende Abgabenschuld stellt allerdings eine gemeinschaftsbezogene Pflicht, die die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gemäß § 9a Abs. 2 WEG zu erfüllen hat.[1]

Wird also einer der Wohnungseigentümer von der Kommune auf Zahlung in Anspruch genommen, ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Innenverhältnis verpflichtet, den durch Leistungsbescheid in Anspruch genommenen Wohnungseigentümer von der Abgabenschuld freizustellen. Erfüllt der Wohnungseigentümer die Abgabenforderung aus eigenen Mitteln, steht ihm gegen die Gemeinschaft ein Erstattungsanspruch zu.[2]

 
Wichtig

Verpflichtung auch bei Einwendungen gegen den Bescheid

Ein Erstattungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Wohnungseigentümer die Forderung aus dem Leistungsbescheid begleicht, ohne dies mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuvor abzustimmen. Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids berechtigen die Gemeinschaft grundsätzlich nicht zu einer Zahlungsverweigerung, wenn der Wohnungseigentümer die Möglichkeit offen gehalten hat, die Rechtmäßigkeit des Bescheids verwaltungsgerichtlich überprüfen zu lassen.

Im Übrigen handelt die kommunale Behörde auch ermessensfehlerhaft, wenn sie einen Leistungsbescheid, der eine Beitragspflicht sämtlicher Wohnungseigentümer zum Gegenstand hat, nur gegen einen oder einzelne Wohnungseigentümer richtet und nicht an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.[3]

Weitere gemeinschaftsbezogene Rechte

Eine klassische gemeinschaftsbezogene Pflicht der Wohnungseigentümer, die unmittelbar aus dem Gemeinschaftseigentum resultiert, ist die der Verkehrssicherung. Diese obliegt der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – auch im Verhältnis zu den Wohnungseigentümern.

Weitere originäre Verpflichtung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist die Einhaltung der Pflichten nach der Trinkwasserverordnung und der EnEV.

Originäre Rechte der Gemeinschaft, die nur durch sie ausgeübt werden können, stellen weiter auch

  • Schadensersatzansprüche wegen einer Verletzung des Gemeinschaftseigentums dar,
  • Vermietung des Gemeinschaftseigentums nebst Erzielung der Mieteinnahmen und
  • Ausübung des Rechts auf Entziehung des Wohnungseigentums nach § 17 WEG.
[3] VG Gera, Urteil v. 14.11.2019, 2 K 2248/18, MietRB 2020 S. 49.

5.2.2 Schutzwürdige Belange des Schuldners

Paradebeispiel für die Erhaltung schutzwürdiger Belange des Schuldners ist das Erfordernis eines Vorgehens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Geltendmachung von Mängelrechten aus einem Bauträgerkaufvertrag. Dies hat zwar nur indirekt etwas mit der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu tun, als der BGH bereits im Jahr 1979 klargestellt hat, dass bestimmte Rechte lediglich durch die Wohnungseigentümer in ihrer Gesamtheit gegenüber dem Bauträger ausgeübt werden können.[1]

Zur Erhaltung der schutzwürdigen Belange des Bauträgers kann jedenfalls der Anspruch auf den "kleinen" Schadensersatz sowie die Ausübung der Minderung lediglich durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden. Andernfalls wäre es für Bauträger unzumutbar, wenn sie sich uneinheitlich mit einzelnen Eigentümern wegen Minderungsansprüchen in unterschiedlicher Höhe und anderen Eigentümern wegen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auseinandersetzen müssten. Die Rechtsprechung ging daher auch von einer "geborenen" Ausübungsbefugnis nach § 10 Abs. 6 Satz 3 HS 1 WEG a. F. aus[2], die sich nunmehr aus § 9a Abs. 2 WEG ergibt.

Allerdings fehlt es mit Blick auf die primären Mängelrechte der Erwerber an einer Gemeinschaftsbezogenheit. Hierbei handelt es sich um die Nacherfüllung, Selbstvornahme und das Verlangen eines Kostenvorschusses. Bereits nach alter Rechtslage handelte es sich diesbezüglich also nicht um eine...

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