Arbeitsrechtlich betrachtet ist ein Mitarbeiter vertraglich verpflichtet, die versprochenen Dienste zu leisten (§ 611 BGB). Wenn man die Vermutung anstellt, dass ein Mitarbeiter, der die Fastengebote einhält und so u. U. an langen Sommertagen über 18 Stunden nichts isst und trinkt, auf diese Weise bewusst seine Arbeitskraft einschränkt, könnte er in der Folge seine arbeitsvertragliche Dienstpflicht eventuell nicht voll erfüllen. Dementsprechend wäre der Arbeitgeber dann berechtigt, als Nachteilsausgleich für die ausgefallene Arbeitsleistung die Vergütung zu reduzieren.

Eine solche Argumentation aufzubauen ist aber grundsätzlich nicht empfehlenswert. Sie dürfte in der Praxis kaum konkret belegbar und damit auch arbeitsrechtlich nicht haltbar sein und würde darüber hinaus das Vertrauensverhältnis zu muslimischen Beschäftigten sowie das Betriebsklima schwer belasten.

Hintergründe dafür sind:

  • Es kann in keiner Weise generell davon ausgegangen werden, dass Fasten in der im Ramadan üblichen Art und Weise die Leistungsfähigkeit tatsächlich nennenswert einschränkt. Physiologisch ist der Mensch genau an diese Art der unregelmäßigen Nahrungsaufnahme angepasst und kann damit besser umgehen, als nicht fastende Menschen der Moderne sich das oft vorstellen können. Außerdem setzt der Verzicht auf Nahrungsaufnahme punktuell oft zunächst zusätzliche Energien frei und erzeugt beim Fastenden positive Gefühle, die (v. a. bei nicht körperlicher Arbeit) in besonderen Einsatz umgesetzt werden können. Schließlich sind gläubige Muslime gerade im Ramadan bemüht, sich selbstdiszipliniert und verantwortlich gegenüber Gott und den Menschen zu verhalten und werden gerade deshalb darauf bedacht sein, ihre Arbeitsleistung nicht vorzuenthalten.
  • Selbst wenn der Betrieb durch die verringerte Leistungsfähigkeit fastender Mitarbeiter einen – vorübergehenden – Nachteil in Kauf nehmen müsste, würde diese Einschränkung des Rechtes auf Leistungserbringungen in einem Interessensvergleich wohl als geringer eingeschätzt werden als das Recht des Arbeitnehmers auf ungestörte Religionsausübung. Schließlich muss der Betrieb auch damit leben, dass aus anderen persönlich zu vertretenden Gründen (z. B. wegen erheblicher privater Arbeitsbelastungen oder weil keine ausreichenden Ruhezeiten eingehalten werden) die Leistungsfähigkeit eines Beschäftigten verringert ist, ohne dass ein unmittelbarer Nachteilsausgleich erfolgt.

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