Eine erfolgreiche Räumungsklage selbst führt noch nicht dazu, dass das Mietobjekt tatsächlich verfügbar ist. Zieht der Mieter nicht aus, muss der Vermieter das Mietobjekt durch den Gerichtsvollzieher räumen lassen. Im Vorfeld dieser Zwangsvollstreckungsmaßnahme hat jedoch der Mieter bereits diverse Möglichkeiten, gesetzlichen Räumungsschutz in Anspruch zu nehmen. Folgende Möglichkeiten stehen ihm offen:

Schließlich kann bei drohender Obdachlosigkeit auch die behördliche Wiedereinweisung in die Mieträume in Frage kommen.

9.1 Schutzantrag nach § 712 ZPO wegen "nicht zu ersetzenden Nachteils" für den Mieter

Räumungsurteile sind nach § 708 Nr. 7 ZPO ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Das Gericht hat allerdings nach der weiteren Bestimmung des § 711 ZPO auszusprechen, dass der Mieter die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden darf, wenn nicht der Vermieter vor der Vollstreckung seinerseits Sicherheit leistet. Hiervon macht wiederum die Bestimmung des § 712 ZPO eine Ausnahme: Der Mieter kann einen Schutzantrag dahingehend stellen, dass das Räumungsurteil erst gar nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt wird oder dass ihm eine Abwendungsbefugnis eingeräumt wird, die von einer Sicherheitsleistung des Vermieters unabhängig ist.

Diesen Schutzantrag muss der Mieter vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung stellen, in der anschließend das Räumungsurteil ergeht. Der Mieter muss dabei glaubhaft machen, dass ihm die Räumung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und er auch zur Sicherheitsleistung außerstande ist. Da andererseits dem Antrag nicht entsprochen werden darf, wenn ein überwiegendes Interesse des Vermieters entgegensteht, hat das Gericht die Interessen von Mieter und Vermieter gegeneinander abzuwägen. Aufseiten des Mieters ist dabei nicht ausschlaggebend, dass der Verlust des Mietobjekts droht. Insoweit ist nämlich die gesetzliche Wertung zu berücksichtigen, dass Räumungsurteile ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar sind. Die Bestimmung des § 712 ZPO ist nicht allein auf Mietsachen beschränkt, sondern stellt vielmehr eine allgemeine Schutzbestimmung zugunsten des Schuldners dar.

Ist der Schutzantrag des Mieters erfolgreich, so kann der Mieter bis zum Abschluss eines von ihm angestrengten Berufungsverfahrens im Mietobjekt verbleiben. Der Mieter kann, so er den Antrag nicht bereits im erstinstanzlichen Verfahren gestellt hat, dies auch noch im Berufungsverfahren nachholen. Allerdings scheidet Vollstreckungsschutz in der Revision aus, wenn der Mieter keinen Schutzantrag nach § 712 ZPO gestellt hat.[1]

9.2 Räumungsfrist nach § 721 ZPO

9.2.1 Grundsätze

Nach der Bestimmung des § 721 Abs. 1 ZPO kann das Gericht dem Mieter auf seinen Antrag eine Räumungsfrist gewähren. Auch ohne entsprechenden Antrag kann das Gericht dem Mieter von Amts wegen eine Räumungsfrist gewähren. Entsprechend der "Ziehfrist" nach der außerordentlichen fristlosen Kündigung muss dem Mieter auch nach verlorenem Räumungsrechtsstreit die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Ersatzwohnung zu finden.

Die Bestimmung des § 721 ZPO ist ausschließlich auf Wohnraummietverhältnisse anwendbar. Für Geschäftsraummietverhältnisse gilt sie nicht. Auch eine analoge Anwendung dieser Bestimmung kommt nicht in Betracht. Ggf. kann dem Mieter von Geschäftsraum allerdings Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO gewährt werden.

Mischmietverhältnis

Überwiegt bei einem Mischmietverhältnis die gewerbliche Nutzung, kann eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO nicht gewährt werden.[1] Hieraus folgt spiegelbildlich, dass Räumungsschutz nach § 721 ZPO dann in Frage kommt, wenn die Wohnnutzung beim Mischmietverhältnis überwiegt.

9.2.2 Dauer

Auf die Dauer der Räumungsfrist hat der Mieter keinen Einfluss. Sie wird vom Gericht nach freiem Ermessen festgelegt. Dabei hat es die Interessen von Mieter und Vermieter gegeneinander abzuwägen.[1] Gerade im Hinblick auf ein durch Kündigung beendetes Mietverhältnis, dem grobe Pflichtverletzungen des Mieters zugrunde liegen, werden die Vermieterinteressen etwa bei Zahlungsverzug oder grober und nachhaltiger Pflichtverletzung überwiegen und eine kurze Räumungsfrist gebieten.

Allerdings ist die Rechtsprechung insoweit kaum kalkulierbar:

  • Einerseits soll die Gewährung einer Räumungsfrist nicht in Betracht kommen, wenn erhebliche Zahlungsrückstände (über 80.000 EUR) aufgelaufen sind, die durch Zahlungen des Sozialhilfeträgers nicht bzw. nicht in voller Höhe ausgeglichen werden und die sich während einer etwaigen Räumungsfrist weiter erhöhen würden.[2]
  • Andererseits wurde einem Mieter eine Räumungsfrist von einem halben Jahr gewährt, der damit gedroht hatte, das Haus in Brand zu setzen sowie auf Menschen und auf das Fahrzeug des Leiters eines Kundenzentrums zu schießen.[3] Zwar hatte das Gericht in diesem Fall einen wichtigen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses ohne vorherige Abm...

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