Leitsatz

  1. Auf die Prüfung, ob ein Mietspiegel die Anforderungen des § 558d Abs. 1 BGB erfüllt, kann im Bestreitensfall nicht schon deswegen verzichtet werden, weil der Mietspiegel von seinem Ersteller als qualifizierter Mietspiegel bezeichnet oder von der Gemeinde und/oder von den Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter als solcher anerkannt und veröffentlicht worden ist.
  2. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels trägt diejenige Partei, die sich die Vermutung des § 558d Abs. 3 BGB zunutze machen will.

(amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

BGB § 558d; ZPO § 292

 

Kommentar

Der Ausgangsfall betrifft ein Mieterhöhungsverlangen für eine Wohnung in Berlin-Mitte, deren Grundmiete sich seit Juli 2003 auf 291,43 EUR beläuft. Der Vermieter verlangt Zustimmung zur Mieterhöhung auf 349,71 EUR. Das Mieterhöhungsverlangen ist mit 4 Vergleichswohnungen begründet. Außerdem enthält das Mieterhöhungsschreiben Angaben über die im Berliner Mietspiegel ausgewiesenen Mietpreise. Nach dem Mietspiegel beträgt die ortsübliche Miete für Wohnungen in "guter Wohnlage" lediglich 298,58 EUR. Der Berliner Mietspiegel wird von seinen Erstellern als "qualifizierter Mietspiegel" bezeichnet. Der Vermieter macht u.a. geltend, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Qualifizierung, nämlich die Beachtung wissenschaftlicher Grundsätze, bei der Erstellung des Berliner Mietspiegels nicht beachtet wurden, weil dort lediglich "gute Wohnlagen" ausgewiesen sind, während die Kategorie "beste Wohnlage" fehle.

Die Instanzgerichte haben der Klage gleichwohl nur in Höhe der Mietspiegelwerte stattgegeben. Zur Begründung des klageabweisenden Teils der Entscheidung ist u.a. ausgeführt, dass für die Werte eines qualifizierten Mietspiegels die Vermutung der Richtigkeit gelte. Diese könne zwar widerlegt werden. Hierfür sei ein substanzieller Angriff gegen die Erstellung des Mietspiegels nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erforderlich. Einen solchen Angriff habe der Vermieter nicht geführt.

Der BGH ist anderer Ansicht. Danach gelten folgende Grundsätze:

  1. Ein qualifizierter Mietspiegel ist ein Mietspiegel, der nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist (§ 558d Abs. 1 BGB).
  2. Beim qualifizierten Mietspiegel wird kraft Gesetzes vermutet (§ 292 ZPO), dass die dort bezeichneten Entgelte die ortsübliche Miete wiedergeben.
  3. Die Vermutungswirkung gilt nur, wenn die Tatbestandsmerkmale des § 558d Abs. 1 BGB vorliegen. Dies setzt voraus, dass der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde.
  4. Ist die Erstellung des Mietspiegels in allgemein zugänglichen Quellen dokumentiert, so ist zu verlangen, dass die Partei, die einen Mangel beim Erstellen des Mietspiegels behauptet, substanziierte Angriffe gegen den Mietspiegel vorbringt.
  5. Wird der Mangel substanziiert dargelegt, muss sich das Gericht mit der Frage befassen, ob der Mietspiegel unter Beachtung von anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde.
  6. Die gerichtliche Überzeugungsbildung kann erfolgen:

    • kraft ausreichender Sachkunde des Gerichts
    • "aufgrund ergiebiger Erläuterungen im Mietspiegel"
    • durch amtliche Auskünfte
    • durch Anhörung sachverständiger Zeugen
    • durch Sachverständigengutachten.

      Hierbei kann auch auf Gutachten zurückgegriffen werden, die in einem anderen Verfahren eingeholt wurden; diese Gutachten können u.U. als Urkundenbeweis verwertet werden.

  7. Die Beweislast für das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 558d BGB trägt diejenige Partei, die sich auf die Vermutungswirkung beruft.

Im Entscheidungsfall trifft die Beweislast also den Mieter.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 21.11.2012, VIII ZR 46/12, NJW 2013 S. 775

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