Leitsatz

  1. Grundsätzlich keine Prüfungsverpflichtung des Versammlungsleiters über die Ermächtigung der Stimmabgabe durch einen Mitberechtigten eines Wohnungseigentums
  2. Qualifizierungsberechnung im Fall des § 16 Abs. 4 WEG (hier: zur Sanierung von Balkon-Gemeinschaftseigentum) vorrangig nach dem Stimmrechts-Kopfprinzip einer Gemeinschaft
 

Normenkette

§§ 16 Abs. 4, 21 Abs. 8, 25 Abs. 2, 43 WEG

 

Kommentar

  1. Konstruktive Bauteile eines Balkons, wie Bodenplatte, Isolierschicht, Balkonbrüstung stehen zwingend im Gemeinschaftseigentum. Eine abweichende Vereinbarungsregelung in der Teilungserklärung ist unbeachtlich, da solche Bauteile nicht Gegenstand des Sondereigentums sein können. Die Unterhaltung des Gemeinschaftseigentums ist damit auch grundsätzlich der Gesamtgemeinschaft vorbehalten.
  2. Besitzt ein Eigentümer die alleinige Gebrauchsmöglichkeit von Gebäudeteilen, können ihm Wohnungseigentümer durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss im Einzelfall auch die Instandsetzungskosten voll überbürden (§ 16 Abs. 4 WEG). Für einen solchen Beschluss ist allerdings qualifizierte Mehrheit erforderlich, d.h. 3/4 aller stimmberechtigten Eigentümer müssen für eine Änderung der Kostenverteilung gestimmt haben. Maßgeblich ist insoweit nicht ein vereinbartes Stimmrecht. Vielmehr gilt hier das Kopfprinzip, was so viel bedeutet, dass jeder Eigentümer unabhängig von der Größe und dem Wert seines Miteigentumsanteils und der Anzahl seiner Wohnungen eine Stimme hat. Zudem bezieht sich die 3/4-Mehrheit auf alle vorhandenen Stimmen in einer Gemeinschaft, also nicht nur der in entsprechender Eigentümerversammlung vertretenen Eigentümer; selbst ein einstimmiger Beschluss anwesender Eigentümer muss also nicht ausreichend sein.
  3. Steht ein Wohnungseigentum mehreren gemeinschaftlich zu, so können sie das Stimmrecht nur einheitlich ausüben (§ 25 Abs. 2 Satz 2 WEG). Ein Berechtigter der Eigentümermehrheit kann auch zur Stimmabgabe ermächtigt sein; eine schriftliche Vollmacht kann der Versammlungsleiter allerdings nur in Zweifelsfällen verlangen. In der Regel ist ein Versammlungsleiter nicht gehalten, bei der Abgabe der Stimmen durch einen Mitberechtigten dessen Ermächtigung durch die übrigen Berechtigten zu prüfen (vgl. BayObLG, NJW-RR 1994 S. 1236). Ein in der Versammlung anwesender Mitberechtigter handelt bei der Stimmabgabe i.d.R. nicht nur für sich, sondern auch für die übrigen, abwesenden Mitinhaber desselben Wohnungseigentums. Ein solcher Mitinhaber gilt regelmäßig als legitimiert, das Stimmrecht für alle Mitinhaber auszuüben.
  4. Vorliegend hat das Amtsgericht zu Recht nach § 21 Abs. 8 WEG die zutreffende Ermessensentscheidung getroffen, die Beklagten zur Vornahme einer Verwaltungsmaßnahme, hier also fachgerechter Beseitigung der vom Sachverständigen in seinem Gutachten festgestellten Schäden an der Betonplatte und der Dichtung eines Balkons verurteilt. Dieses Gestaltungsurteil war ungeachtet verfassungsrechtlich zu schützender Privatautonomie und der Eigentumsrechte der Wohnungseigentümer vorliegend unbedingt nötig. Bestimmt wurden durch das Gericht bisher lediglich geeignete Maßnahmen zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, mithin zum "Ob" der Instandsetzungsmaßnahme einschließlich des anzuwendenden Kostenverteilungsschlüssels; das "Wie" der Instandsetzungsmaßnahme wurde hingegen den Wohnungseigentümern überlassen. Auch wenn dem Gericht ein weites Rechtsfolgeermessen zusteht, ist es nicht verpflichtet, über geeignete Maßnahmen hinaus auch diejenigen Anordnungen zu treffen, die zu ihrer Durchführung erforderlich sind.
 

Link zur Entscheidung

LG Köln, Urteil vom 04.10.2012, 29 S 91/12

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