Zusammenfassung

 

Art 16 KSÜ(1) Die Zuweisung oder das Erlöschen der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes ohne Einschreiten eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde bestimmt sich nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes.

(2) Die Zuweisung oder das Erlöschen der elterlichen Verantwortung durch eine Vereinbarung oder ein einseitiges Rechtsgeschäft ohne Einschreiten eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde bestimmt sich nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in dem Zeitpunkt, in dem die Vereinbarung oder das einseitige Rechtsgeschäft wirksam wird.

(3) Die elterliche Verantwortung nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes besteht nach dem Wechsel dieses gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen Staat fort.

(4) Wechselt der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes, so bestimmt sich die Zuweisung der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes an eine Person, die diese Verantwortung nicht bereits hat, nach dem Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts.

A. Elterliche Verantwortung kraft Gesetzes (Abs 1).

 

Rn 1

Art 16 regelt gesondert die elterliche Verantwortung kraft Gesetzes (›Sorgerechtsstatut‹). Nicht erfasst wird die gerichtliche Anordnung (Andrae NZFam 16, 923, 927 gegen Bambg FamRZ 16, 1270). Zur Zuweisung oder dem Erlöschen der elterlichen Verantwortung (Art 1 II) ohne Einschreiten eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde gehört auch die Sorgeerklärung nach § 1626a I Nr 1 BGB (Wagner/Janzen FPR 11, 110, 112 [BGH 03.02.2010 - XII ZR 189/06]; Rauscher NJW 11, 2332, 2333). Sie bestimmen sich nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes (I). Eine vorgeburtliche Sorgeerklärung kann erst mit Geburt wirken (KG FamRZ 11, 1516). Anders als nach Art 3 MSA kommt es nicht auf das Heimatrecht an (Finger FamRBint 10, 95, 99). Hierbei handelt es sich grds um eine Sachnormverweisung (Art 21). Erfasst werden grds alle den Inhalt der elterlichen Verantwortung betreffenden Rechtsfragen (NK/Benicke Rz 1), ua die gesetzliche Vertretung (Schäuble BWNotZ 16, 5, 9).

B. Elterliche Verantwortung kraft Vereinbarung oder Rechtsgeschäft (Abs 2).

 

Rn 2

Art 16 II betrifft die Zuweisung (insb das Bestehen) oder das Erlöschen (die Beendigung) der elterlichen Verantwortung durch eine Vereinbarung oder ein einseitiges Rechtsgeschäft ohne Einschreiten eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde. Diese bestimmt sich nach dem Recht des Staates des (aktuellen) gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in dem Zeitpunkt, in dem die Vereinbarung oder das einseitige Rechtsgeschäft wirksam wird (II). Dieses Recht bestimmt auch über den Zeitpunkt der Wirksamkeit. Erfasst wird ua die Sorgeerklärung nach deutschem Recht (AG Pankow/Weißensee FamRZ 15, 1630; Dutta StAZ 10, 193, 201). Ist eine behördliche Überprüfung notwendig, so gilt Art 15.

C. Aufenthaltswechsel (Abs 3, 4).

 

Rn 3

Im Interesse der Kontinuität besteht die gesetzliche, rechtsgeschäftliche oder durch Gerichtsentscheidung begründete elterliche Verantwortung nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes nach dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen Staat fort (III). Dies gilt auch bei Kindesentführung (Karlsr FamRZ 18, 920 m Anm Rake) sowie auch dann, wenn der (Mit-)Inhaber der elterlichen Verantwortung nach dem neuen Aufenthaltsrecht kein Sorgerecht hätte (Karlsr FamRZ 11, 1963 m Aufs Looschelders IPRax 14, 152; FamRZ 13, 1238.– Zum Inkraftreten des KSÜ Frankf FamRZ 15, 1633). Die Unwandelbarkeit ist unabhängig davon, ob die elterliche Verantwortung durch Gesetz oder Vereinbarung begründet wurde (jurisPK/Gärtner Rz 33). Allerdings wirkt die Vorschrift nicht auf einen Aufenthaltswechsel vor Inkrafttreten des KSÜ zurück (Heiderhoff IPRax 15, 326, 327 Aufs zu Karlsr FamRZ 13, 1238).

 

Rn 4

Wechselt der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes, so bestimmt sich eine neue (zusätzliche) Zuweisung der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes an eine Person, die diese Verantwortung nicht bereits hat (zB ein nichtehelicher Vater), nach dem Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts (IV). Bei Erwerb des Sorgerechts kommt es daher zu einem Statutenwechsel (Dutta StAZ 10, 193, 201; Wagner/Janzen FPR 11, 110, 112 [BGH 03.02.2010 - XII ZR 189/06]).

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