Rn 10

Das Recht des Lageorts gilt für sämtliche sachenrechtliche Fragen; insb entscheidet es, wem die Sache gehört (Eigentum), welche dinglichen Rechte an ihr bestehen können (numerus clausus der Sachenrechte) sowie ob solche Rechte entstanden, übergegangen, geändert, erloschen oder verjährt sind (BTDrs 14/343, 15; zur Verjährung Stuttg v 2.2.06 – 19 U 47/05). Auch für den Inhalt und die Durchsetzung dinglicher Rechte ist grds die lex rei sitae zu befragen (BGH NJW 98, 1321; zur Abgrenzung vom Güterrechtsstatut München NJW-RR 09, 806; Schlesw FamRZ 10, 377). Zum Auseinanderfallen von Sachstatut und Forderungsstatut bei grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen Unberath IPRax 05, 308 [BGH 26.07.2004 - VIII ZR 273/03]. Dies gilt außerhalb von Art 44 auch für den Schutz dinglicher Rechte. Soweit dieser durch Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche verwirklicht wird, kann entspr der deutschen Anspruchskonkurrenz eine Mehrfachqualifikation nach dem Sach- und dem Delikts- bzw Bereicherungsstatut in Frage kommen (MüKo/Wendehorst Rz 98).

 

Rn 11

Ob es sich bei einem bestimmten ausländischen Rechtsinstitut um ein dingliches Recht iSv Art 43 handelt, ist durch funktionale Qualifikation danach zu ermitteln, ob es wie das deutsche Eigentum und die beschränkt dinglichen Rechte absolute Wirkung in Bezug auf die Zuordnung einer Sache hat, also Befugnisse im Hinblick auf die Sache ggü jedermann vermittelt. Danach können auch einzelne Berechtigungen schuldrechtlichen Ursprungs als sachenrechtlich iSv Art 43 zu qualifizieren sein: § 566 (LG Hamburg IPRspr 91, Nr 40); englisches lien at law (LG München I WM 57, 1378), zur umstrittenen Einordnung von Verfolgungs- und Anhalterechten etwa nach Art 71 II CISG s Staud/Mansel Rz 924 ff; MüKo/Wendehorst Rz 62. Bei Leasingverträgen kann das UNIDROIT-Abk von Ottawa v 28.5.88 zu beachten sein, das allerdings von der Bundesrepublik nicht ratifiziert wurde.

 

Rn 12

Auch der Besitz ist kollisionsrechtlich als Recht an einer Sache zu behandeln (LG München I WM 63, 1355), ein den Besitz begründendes Besitzmittlungsverhältnis unterliegt aber in schuldrechtlicher Hinsicht dem Vertragsstatut.

 

Rn 13

Die Arten der möglichen (Mit-)Berechtigung richten sich, soweit sie das Außenverhältnis betreffen, ebenfalls nach dem Sachstatut (MüKo/Wendehorst Rz 38). Nach diesem sind auch schuldrechtliche Ansprüche zu beurteilen, die aufgrund eines seinerseits als sachenrechtlich zu qualifizierenden Legalschuldverhältnisses entstehen, so etwa Ansprüche unter Miteigentümern oder Ansprüche aus EBV (BGH NJW 09, 2824 [BGH 10.06.2009 - VIII ZR 108/07]; NJW 98, 1321 [BGH 25.09.1997 - II ZR 113/96]).

 

Rn 14

Die lex rei sitae gilt sowohl für Änderungen der dinglichen Rechtslage durch Rechtsgeschäft als auch von Gesetzes wegen (zB Ersitzung, Verbindung, Vermischung, Verarbeitung). Bei rechtsgeschäftlichem Rechtsübergang sind dem Sachstatut insb die Erwerbstatbestände und die Möglichkeit sowie Voraussetzungen des Erwerbs vom Nichtberechtigten zu entnehmen (BGH NJW-RR 10, 983 [BGH 22.02.2010 - II ZR 286/07]; NJW 09, 2824; NJW 60, 775 [BGH 04.02.1960 - VII ZR 161/57]). Auch die Frage, ob der gutgläubige Erwerb an einem Abhandenkommen der Sache scheitert, unterliegt nach hM der lex rei sitae (BGH NJW 09, 2824 [BGH 10.06.2009 - VIII ZR 108/07]; KG NJW 07, 705 [KG Berlin 16.10.2006 - 10 U 286/05]). Vorzugswürdig ist es dagegen, hinsichtlich des Abhandenkommens und der daran anknüpfenden Folgen für die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs gem Art 46 EGBGB auf das Recht des Ortes abzustellen, an dem das Abhandenkommen stattgefunden hat (Mansel IPRax 88, 268; ders Staud/Mansel Art 46 EGBGB Rz 63 ff mwN; Rauscher IPR Rz 1466). Dies betrifft auch die Möglichkeit der Genehmigung der Verfügung eines Nichtberechtigten durch den Berechtigten (BGH NJW-RR 00, 1583 [BGH 29.05.2000 - II ZR 334/98]), die Frage von Lösungsrechten wie etwa § 934 II schweizZGB, oder die Anwendbarkeit einer Eigentumsvermutung (BGH NJW 96, 2233 [BGH 09.05.1996 - IX ZR 244/95]). Auch der Erwerb des Eigentums an einem gestohlenen Kfz durch den Versicherer gem A.2.10.3 AKB unterliegt an sich der lex rei sitae zum Zeitpunkt des Bedingungseintritts (Erman/Stürner Rz 12), allerdings wird hier oft die Anwendung von Art 46 nahe liegen (s Art 46 Rn 3). Die Anfechtbarkeit eines Rechtserwerbs beurteilt sich außerhalb eines Insolvenzverfahrens nach dem für die angefochtene Rechtshandlung geltenden Recht, vgl § 19 AnfG (BGH ZIP 12, 234). Für die Insolvenzanfechtung sind Art 4 II m) iVm Art 13 EuInsVO und § 339 InsO zu beachten, die grds die lex fori concursus berufen, es sei denn, dass eine Anfechtung nach der lex causae nicht zulässig ist (ausf Kübler/Prütting/Bork/Adolphsen, InsO § 147 Anh IIA Rz 55, Anh IIB Rz 90 ff).

 

Rn 15

Bei beschränkt dinglichen Rechten bestimmt die lex rei sitae den Kreis der begründbaren Rechte sowie deren Entstehungs-, Erwerbs-, Übertragungs- und Erlöschensvoraussetzungen. So kommt es für die Entstehung von gesetzlichen Pfandrechten auf das Recht des ...

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