Gesetzestext

 

(1) 1Antidiskriminierungsverbände sind Personenzusammenschlüsse, die nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend entsprechend ihrer Satzung die besonderen Interessen von benachteiligten Personen oder Personengruppen nach Maßgabe von § 1 wahrnehmen. 2Die Befugnisse nach den Absätzen 2 bis 4 stehen ihnen zu, wenn sie mindestens 75 Mitglieder haben oder einen Zusammenschluss aus mindestens sieben Verbänden bilden.

(2) 1Antidiskriminierungsverbände sind befugt, im Rahmen ihres Satzungszwecks in gerichtlichen Verfahren als Beistände Benachteiligter in der Verhandlung aufzutreten. 2Im Übrigen bleiben die Vorschriften der Verfahrensordnungen, insbesondere diejenigen, nach denen Beiständen weiterer Vortrag untersagt werden kann, unberührt.

(3) Antidiskriminierungsverbänden ist im Rahmen ihres Satzungszwecks die Besorgung von Rechtsangelegenheiten Benachteiligter gestattet.

(4) Besondere Klagerechte und Vertretungsbefugnisse von Verbänden zu Gunsten von behinderten Menschen bleiben unberührt.

A. Einordnung und Zweck.

 

Rn 1

§ 23 setzt Art 6 III RL 76/207/EWG (eingefügt durch RL 2002/73/EG), Art 7 II RL 2000/43/EG, Art 9 II RL 2000/78/EG, Art 8 III RL 2004/113/EG um und begründet das Recht von Antidiskriminierungsverbänden sich zur Unterstützung Benachteiligter an Verfahren zu beteiligen, als Beistand gem § 90 ZPO, nicht als Bevollmächtigter gem § 79 ZPO (BTDrs 16/2022, 7).

B. Antidiskriminierungsverbände, Abs 1.

 

Rn 2

Antidiskriminierungsverbände nehmen entspr ihrer Satzung die besonderen Interessen von benachteiligten Personen oder Personengruppen (§ 1) wahr, zB von Migrantinnen und Migranten, von Frauen oder Männern, von älteren oder behinderten Menschen, oder von Menschen mit gleichgeschlechtlichen Lebensweisen (BTDrs 16/1780, 48). Die Wahrnehmung erfolgt ›nicht gewerbsmäßig‹ und ›nicht nur vorübergehend‹ (vgl § 4 II UKlaG). Nur wenn sie gem 2 mind 75 Mitglieder haben oder ein Zusammenschluss aus mind 7 Antidiskriminierungsverbänden sind, die in der Summe wiederum mind 75 Mitglieder haben, bestehen die Rechte nach II und III. Im Bestreitensfall sind die Mitgliedschaften nachzuweisen (vgl BAG NZA 03, 1221 [BAG 19.03.2003 - 4 AZR 271/02] zu § 23 III BetrVG). Die Voraussetzungen nach I müssen während des gesamten Verfahrens vorliegen (BKG § 23 Rz 10).

C. Auftreten als Beistand Benachteiligter in der Verhandlung, Abs 2.

 

Rn 3

›Beistand‹ iSv 1 ist, wer im Prozess neben der anwesenden Partei oder im Anwaltsprozess neben dem anwesenden Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zur Unterstützung auftritt (Zö/Althammer § 90 ZPO Rz 2). Vortrag des Beistands gilt als Vortrag der Partei, sofern diese ihn nicht sofort widerruft, § 90 II ZPO. Auftreten des Antidiskriminierungsverbandes als Beistand muss im Rahmen seines Satzungszwecks erfolgen, ein Antidiskriminierungsverband zur Unterstützung von Migranten kann zB nicht in Verfahren um Geschlechterdiskriminierung auftreten. 2 enthält Vorbehalt für Verfahrensordnungen, insb kann Beiständen weiterer Vortrag untersagt werden, wenn es ihnen an der Fähigkeit zu geeignetem Vortrag fehlt, §§ 79 III 3, 90 I 3 ZPO. Kostenerstattung nach allg Grundsätzen, in erster Instanz vor dem ArbG daher keine Kostenerstattung, § 12a I 1 ArbGG; im Zivilprozess gilt § 91 I ZPO.

D. Besorgung von Rechtsangelegenheiten Benachteiligter, Abs 3.

 

Rn 4

III erfasst Rechtsberatung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten Benachteiligter außerhalb gerichtlicher Verfahren, für gerichtliche Verfahren gilt II. Die anfangs vorgesehene Möglichkeit der Antidiskriminierungsverbände, Ansprüche nach Abtretung auch im eigenen Namen geltend zu machen, wurde zur Vermeidung berufsmäßiger Diskriminierungsklagen gestrichen.

E. Vorbehalt besonderer Klagerechte und Vertretungsbefugnisse zugunsten behinderter Menschen, Abs 4.

 

Rn 5

IV enthält einen Vorbehalt insb zugunsten der Prozessstandschaft nach § 85 SGB IX. Anders als nach III können danach Verbände, die nach ihrer Satzung behinderte Menschen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind, mit Einverständnis des behinderten Menschen dessen Rechte im eigenen Namen geltend machen.

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