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Die Abhängigkeit der Beurteilung von Gut- und Bösgläubigkeit von den jeweiligen Einzelumständen des Falles schließt eine echte Systematisierung der Kriterien aus. Benennen lassen sich allerdings typische Merkmale, die auf grobe Fahrlässigkeit hinweisen oder diese umgekehrt noch nicht erfüllen. So kann insb die konkrete Veräußerungssituation grobe Fahrlässigkeit nahe legen (nächtlicher Kaufvertrag im Bahnhofsviertel). Zur Bösgläubigkeit führt in aller Regel auch jeder Erwerb wertvoller Gegenstände auf der Straße oder in einer Umgebung, in der mit solchen Gegenständen üblicherweise nicht gehandelt wird (Erwerb von Schmuck, Wertpapieren, Kunstgegenständen oder Antiquitäten auf der Straße). Von Bedeutung ist weiterhin die Verkehrsüblichkeit der Abwicklung des Geschäfts. Muss etwa mit dem Bestehen eines weit verbreiteten Eigentumsvorbehalts oder einer Sicherungsübereignung nahe liegender Weise gerechnet werden, so ist dem Erwerber eine Erkundigung zuzumuten (BGH JZ 70, 187; JZ 73, 27). Von Bedeutung für die Beurteilung sind weiterhin die Person und die geschäftliche Erfahrung des Erwerbers (strengere Anforderungen an einen Rechtsanwalt, einen Kaufmann oder einen Bankier). Weiterhin wichtige Kriterien sind die Vermögenssituation und das geschäftliche Verhalten des Veräußerers. Ist dem Erwerber die besonders schlechte Vermögenssituation des Veräußerers bekannt und ergeben sich weitere kritische Indizien, so kann dies für Bösgläubigkeit sprechen. Bedeutsam ist schließlich auch die konkrete Ausgestaltung des Geschäfts. So kann der geforderte Preis bei ganz ungewöhnlicher Abweichung vom üblichen Marktpreis ein Indiz für Bösgläubigkeit sein. Besonders strenge Voraussetzungen hat die Rspr im Gebrauchtwagenhandel aufgestellt. Bösgläubigkeit muss hier bejaht werden, wenn sich der Erwerber nicht den Kfz-Brief vorlegen lässt und sich nicht davon überzeugt, dass der Veräußerer eingetragen ist (BGH NJW 13, 1946 [BGH 01.03.2013 - V ZR 92/12] Rz 13; 96, 2226). Besondere Verdachtsmomente müssen sich aufdrängen, wenn eine Veräußerung zum Verschrotten vorgenommen wird oder wenn ein Erwerb über die Grenze hinweg erfolgt, wobei im ausländischen Staat ein Kfz-Brief nicht bekannt ist, ferner wenn sich der Verdacht einer Fälschung des Kfz-Briefs aufdrängt oder wenn nur eine Tageszulassung gegeben ist (Celle JZ 79, 608; KG OLGR 03, 302; BGH NJW 94, 2022 [BGH 13.04.1994 - II ZR 196/93]; Ddorf NJW-RR 97, 246 [OLG Düsseldorf 18.09.1996 - 11 U 58/95]).

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