Rn 7

Das Gesetz verlangt zum Besitzerwerb die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache. Es geht dabei also um einen Realakt, für den keinerlei rechtsgeschäftliche Voraussetzungen bestehen; auch eine Stellvertretung ist nicht möglich (vgl aber zum Besitzdiener § 855). Im Einzelnen bedarf es zu der Bewertung, ob Besitz erlangt ist, einer Beurteilung nach der Verkehrsanschauung und der Bewertung aller Umstände (BGHZ 101, 186; BGH NJW 15, 1678 Rz 24). Bedeutsam sind insb die Dauer und die Festigkeit der Herrschaftsbeziehung. Nicht erforderlich ist ein körperlicher Kontakt, wichtig ist dagegen die Möglichkeit der Einwirkung auf die Sache, auch wenn sie durch einen Besitzdiener vermittelt ist oder wenn sie va durch die Beachtung des Besitzes durch Dritte erfolgt. Diese Besitzsituation muss auch äußerlich sichtbar sein (s.u. Rn 12). Nicht zu verlangen ist eine ununterbrochene Einwirkungsmöglichkeit. Ebenfalls ist nicht erforderlich die gesicherte Möglichkeit, andere Personen von der Einwirkung ausschließen zu können. Ohne Bedeutung sind bestehende rechtliche Befugnisse in Bezug auf die Sache.

 

Rn 8

Als Beispiele für bestehenden Besitz sind anzusehen der gekennzeichnete Holzstapel im Wald, der Schlüsselbesitz im Hinblick auf einen Raum oder auf ein Behältnis sowie auf ein Fahrzeug (BGH JZ 18, 1102 [BGH 17.03.2017 - V ZR 70/16] Rz 10), die vor einer Wohnungstür, einer Haustür oder einer Ladentür abgestellte Sache. Im abgegrenzten Bereich eines Selbstbedienungsladens hat der Geschäftsinhaber so lange unmittelbaren Besitz, bis die Ware durch die Bezahlung an der Kasse effektiv dem Kunden überlassen ist. Im Falle der Lagerung einer beweglichen Sache auf dem Grundstück eines Dritten ist isolierter Besitz an der beweglichen Sache anzunehmen, wenn diese durch besondere Bewachung oder besonderen Verschluss dem Zugriff des Grundstücksbesitzers entzogen ist.

 

Rn 9

Besitzerwerb ist abzulehnen, wenn anstelle eines Fahrzeugs nur der Kfz-Brief übergeben wird; wenn eine freie Parklücke durch eine Person besetzt wird; wenn es an der Dauerhaftigkeit und Festigkeit des Besitzes fehlt (Stuhl, Tisch, Besteck im Restaurant). Der Werkunternehmer ist im Rahmen einer Kfz-Reparatur unmittelbarer Besitzer, der Eigentümer ist mittelbarer Besitzer. Bei einer gemeinsamen Probefahrt am Ende der Reparatur bleibt die Besitzlage bestehen, der Eigentümer wird nicht zum Besitzdiener (BGH JZ 18, 1102 [BGH 17.03.2017 - V ZR 70/16] Rz 12, 17).

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