Rn 10

Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit wird geprägt durch die Auseinandersetzung um Handlungs- oder Erfolgsunrecht, die sich insb bei mittelbaren Verletzungen und Unterlassungen auswirkt und sich teilw mit der Verkehrspflichtenproblematik überschneidet.

 

Rn 11

Nach der Lehre vom Erfolgsunrecht, die an die kausale Handlungslehre anknüpft, wird die Rechtswidrigkeit durch die Tatbestandsverwirklichung indiziert, sofern nicht ausnw ein Rechtfertigungsgrund eingreift (zB Jauernig/Teichmann § 823 Rz 48 ff; BeckOK/Förster § 823 Rz 18 ff; Stoll JZ 58, 137, 141 ff; Weitnauer KF 61, 28, 30 f). Der Angegriffene kann dann idR Beseitigung oder Unterlassung verlangen oder Notwehr üben. Diese traditionell iRd § 823 I angewendete Lehre führt allerdings bei Unterlassungen und mittelbaren Verletzungen zu Problemen und kann ohne zusätzliche Regulative zu einer starken Ausweitung der Haftung führen. Ausnahmen sind daher insb für sog offene Tatbestände anerkannt: Bei Verletzung des Rechts am Unternehmen oder des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist die Rechtswidrigkeit stets gesondert festzustellen.

 

Rn 12

Nach der Lehre vom Handlungsunrecht, die auf der finalen Handlungslehre aufbaut, ist hingegen ein Verhalten nur rechtswidrig, wenn es gegen eine Sorgfaltspflicht verstößt; nur dann stehen also dem Angegriffenen Gegenrechte zu. Diese Ansicht entspricht dem Modell des § 823 II; für sie wird insb angeführt, dass im Zeitpunkt des Handelns bereits feststehen müsse, ob dieses erlaubt oder verboten ist (Soergel/Spickhoff § 823 Rz 5). Nach hM soll diese Lehre nur für fahrlässiges Handeln gelten (zB Esser/Weyers BT/2 § 55 II 3; Brüggemeier Haftungsrecht 2. Aufl 06, 52 ff), eine im Vordringen befindliche Meinung will sie auch bei Vorsatz anwenden (MüKo/Wagner § 823 Rz 26 f mwN Rz 5; Looschelders FS Martinek 405, 406 ff); Vorschlag einer Symbiose von Handlungs- und Erfolgsunrecht bei Wendelstein Pflicht und Anspruch 21, 186 f. Problematisch ist sie insb wegen der fließenden Übergänge zum Verschulden.

 

Rn 13

Da beide Ansätze nicht ohne Einschränkungen durchgehalten werden können, wählt die wohl hM eine vermittelnde Lösung und differenziert – in Anknüpfung an v Caemmerer (FS DJT II 49, 131 f) und Larenz (FS Dölle I 169, 193) – zwischen unmittelbaren und mittelbaren Verletzungen: Bei unmittelbaren Verletzungen wird die Rechtswidrigkeit indiziert, bei mittelbaren Verletzungen ist sie gesondert festzustellen (mit einer Ausn für vorsätzliche mittelbare Verletzungen, s nur Staud/J Hager § 823 Rz H 16; Ahrens/Spickhoff Deliktsrecht 22 Rz 10 ff, insb 28 ff, beide mwN). Auch wenn die Grenzziehung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Verletzungen im Einzelfall problematisch sein kann, bildet diese Ansicht eine brauchbare Grundlage. Zu berücksichtigen ist ferner, dass bei der Haftung für Verletzung von Verkehrspflichten sowie von Rahmenrechten (Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Recht am Unternehmen) stets nur eine positive Feststellung der Rechtswidrigkeit iSd Lehre vom Handlungsunrecht in Betracht kommt.

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