Rn 49

Eine Eigentumsverletzung kann nach der Rspr auch die Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs einer Sache sein (BGHZ 55, 153, 159 f; 138, 230, 235 f mwN; VersR 18, 1067 Rz 31). Die Nutzung des Eigentums ist grds vom Eigentumsrecht und damit auch vom Schutz nach § 823 I erfasst. Problematisch ist aber die Grenzziehung zu reinen Vermögensschäden (bei bloßer Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit des Eigentümers, BGHZ 86, 152, 155; VersR 79, 905, 906; zur Abgrenzung zu immateriellen Schäden BGH ZIP 22, 2499 Rz 8 ff) und zum Recht am Unternehmen (s insb BGHZ 55, 153, 158 ff; 86, 152, 156 ff; 105, 346, 350), va weil nach der Rspr die konkrete Bestimmung des Eigentums, die der Eigentümer ihm gegeben hat, zu berücksichtigen ist (s insb BGHZ 90, 255, 261 mwN).

 

Rn 50

Grundlinien der Rspr: Nutzungsausfall kann unter bestimmten Voraussetzungen ersatzfähig sein: Die unerlaubte Handlung muss sich gegen den Eigentumsgegenstand selbst richten, nicht zB gegen den Rechtsinhaber (s insb BGHZ 63, 203, 206 mwN; umfassend Zeuner FS Flume [78] Bd I, 775 ff) und die Beeinträchtigung darf nicht nur unerheblich, insb nicht lediglich vorübergehend sein (zB BGHZ 86, 152, 154 f; 138, 230, 235; NJW 04, 356, 358). Bsp sind die Blockade eines Schiffs (BGHZ 55, 153, 159; VersR 16, 1194 Rz 17 ff – zugleich gegen eine zeitlich definierte Erheblichkeitsschwelle) oder eines Kfz (BGHZ 63, 203, 206), jeweils durch ›Einsperren‹, unberechtigtes Parken auf fremdem Grundstück (S Lorenz NJW 09, 1025 f), die Vereitelung der Nutzung von Wasserrohren durch ein Gewindeschneidemittel (BGH NJW 94, 517, 518 [BGH 07.12.1993 - VI ZR 74/93]; NJW-RR 95, 342 f [BGH 06.12.1994 - VI ZR 229/93]), die Blockade von Straßenbahnschienen (BGH NJW 22, 3789 Rz 10), ein Verwertungsverbot für Tiere aufgrund unzulässiger Zusatzstoffe in Futtermitteln (Kobl OLGR 06, 358, 360 – iE abgelehnt) oder die Verursachung eines behördlichen Benutzungsverbots (AG Offenbach DAR 08, 486). Sehr weitgehend BGH GRUR 04, 263; Köln IPRax 11, 174. Behördliche Betriebseinschränkungen oder -untersagungen aufgrund der COVID-19-Pandemie dürften hingegen regelmäßig keine Eigentumsverletzungen darstellen oder aber aufgrund der Notwendigkeit der Gefahrenabwehr gerechtfertigt sein (aA Genz VersR 20, 1481, 1488). Nicht erfasst ist die Blockierung des Zugangs, wie zB das ›Aussperren‹ von Schiffen, Kfz (BGHZ 55, 153, 160; NJW 77, 2264, 2265 f; MDR 15, 78 Rz 19 – zum Besitz, aber mit Wirkung auch für das Eigentumsrecht; dazu insb Picker NJW 15, 2304 ff [BGH 27.11.2014 - I ZR 124/11]; Wagner JZ 15, 682 ff) oder Eisenbahnzügen (BGH NJW-RR 05, 673, 674) oder die Vereitelung der Stromzufuhr (BGHZ 29, 65, 75; 66, 388, 393 f). Letztere könnte evtl mit einem ›Aussperren‹ verglichen werden, die Behandlung der Unterbrechung von Versorgungsleitungen ist jedoch äußerst umstritten.

 

Rn 50a

Eine Verletzung des Nutzungsrechts soll auch vorliegen, wenn durch Aufspielen von Software die Nutzung eines internetfähigen Geräts beeinträchtigt wird (Dresd GRUR-RS 21, 19014: Programm, das einem Dritten erlaubte, jederzeit die aktuelle Position eines Smartphones zu ermitteln). Betroffen ist hier allerdings eher die Nutzungsmöglichkeit als das Nutzungsrecht und die Erheblichkeit der Beeinträchtigung wäre nach allg Grundsätzen näher darzulegen. Im konkreten Fall mag sie vorgelegen haben, weil eine Deinstallation ohne Datenverlust nicht möglich war, aber bei einer Ausweitung dieses Ansatzes ist große Zurückhaltung geboten, insb wenn es nicht – wie im konkreten Fall – um Unterlassungs-, sondern um Schadensersatzansprüche geht (krit zur Entscheidung des OLG Dresden aus anderen Gründen auch Lach jurisPR-ITR 18/21 Anm 3).

 

Rn 51

Stellungnahme: Auch bei Beeinträchtigungen der Nutzungsmöglichkeit ist – wie bei ›Weiterfresserschäden‹ – eine exakte Abgrenzung zwischen Eigentumsverletzung und reinem Vermögensschaden bislang nicht gelungen. Die einschränkenden Kriterien der Rspr liefern Leitlinien, reichen aber für sich genommen nicht aus. IRd Interessenausgleichs zwischen Schädiger und Geschädigtem muss auch die Position des Schädigers berücksichtigt und nach der Vorhersehbarkeit des Schadens gefragt werden. In Anwendung der allg Grundsätze über mittelbare Verletzungen (Rn 9) sind Verkehrspflichten des Verletzers (insb der Betreiber von Versorgungseinrichtungen) zu konkretisieren. Dabei ist regelmäßig die übliche Nutzung, nicht eine außergewöhnliche zusätzliche Nutzung durch den Eigentümer entscheidend. Folglich kommt bei einer mehr als unerheblichen Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit (zB durch Unterbrechung von Versorgungseinrichtungen) eine Eigentumsverletzung in Betracht (allerdings nur bei kommerzieller Verwertung oder Inanspruchnahme eines Ersatzgegenstands, Erman/Wilhelmi § 823 Rz 32 mN), idR aber nicht bereits bei Ausfall einer von mehreren Nutzungsmöglichkeiten, denn hier wird regelmäßig keine entsprechende Verkehrspflicht bestehen.

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