a) Haftungsgrundlage.

 

Rn 205

Die Arzthaftung richtete sich früher ganz überwiegend nach Deliktsrecht, weil bis 2002 nur bei Deliktsansprüchen auch Schmerzensgeld zugesprochen werden konnte (§ 847 aF). Durch das Schadensersatzrechtsänderungsgesetz 2002 und die Schuldrechtsmodernisierung wurde die Grundlage für eine stärkere Verlagerung der Arzthaftung in das Vertragsrecht gelegt und durch die Kodifikation der vertraglichen Arzthaftung in §§ 630a ff ausgebaut. Separate Bedeutung behält die Deliktshaftung im Rahmen der Anspruchskonkurrenz insb für die persönliche Haftung des Arztes beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag sowie beim Handeln angestellter Ärzte in einer Arztpraxis. Auch wenn den haftungsrechtlichen Regelungen des Patientenrechtegesetzes die aus dem Deliktsrecht stammende Rspr zugrunde liegt und Vertrags- und Deliktshaftung daher nun weitgehend parallel laufen sollten, ist eine gewisse Eigendynamik bei der Anwendung der §§ 630a ff nicht auszuschließen (s.a. G Wagner VersR 12, 789, 801), so dass Fragen der Anspruchskonkurrenz in diesem Bereich stärkere Bedeutung gewinnen könnten.

 

Rn 206

An dieser Stelle werden nur die Grundzüge der Arzthaftung, insb ihre dogmatischen Ausgangspunkte, die wichtigsten ärztlichen Pflichten und Besonderheiten bei der Beweislast, dargestellt. Für Einzelheiten, va zur umfangreichen Kasuistik, ist auf die Spezialliteratur zu verweisen (insb Spickhoff Medizinrecht 4. Aufl 22; Geiß/Greiner Arzthaftpflichtrecht 8. Aufl 22; Giesen Arzthaftungsrecht 09; Katzenmeier Arzthaftung 02; Laufs/Katzenmeier/Lipp Arztrecht 8. Aufl 21; Laufs/Kern/Rehborn Handbuch des Arztrechts 5. Aufl 19; Quaas/Zuck/Clemens Medizinrecht 4. Aufl 18; Spickhoff Aktuelle Rechtsfragen des medizinischen Behandlungsverhältnisses 04; Pauge/Offenloch Arzthaftungsrecht 14. Aufl 18; Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht 3. Aufl 20; Martis/Winkhart Arzthaftungsrecht 6. Aufl 21; neuere Entwicklungen bei Kunz-Schmidt NJ 19, 184 ff; v Pentz MedR 19, 351 ff [BGH 26.06.2018 - VI ZR 285/17]; Spickhoff NJW 21, 1713, 1716 ff; 22, 1718, 1721 ff; zur Aufklärungspflicht zudem Martis/Winkhart-Martis MDR 15, 429; 22, 10 ff; 1260 ff; zu Diagnoseirrtum und unterlassener Befunderhebung dies MDR 19, 837 ff; 20, 1297 ff; 22, 75 ff; 1388 ff). Zur Person des Haftpflichtigen und dem Zusammenhang mit den verschiedenen Arten von Krankenhausaufnahmeverträgen s insb § 611 Rn 14; MüKo/Wagner § 630a Rz 107 ff; NK-BGB/Katzenmeier § 823 Rz 346 ff; BGH NJW 06, 767 [BGH 20.12.2005 - VI ZR 180/04] Rz 12 ff mwN.

b) Dogmatische Ausgangspunkte.

 

Rn 207

Die Rspr sieht in jedem ärztlichen Eingriff – auch einem lege artis durchgeführten – eine tatbestandsmäßige Körperverletzung, die jedoch durch die Einwilligung des Patienten gerechtfertigt sein kann (s nur BGHZ 29, 46, 49; 106, 391, 397 f; einschr BGHZ 176, 342 Rz 20: Haftung des Arztes nur bei Gesundheitsschaden des Patienten, krit Borgmann NJW 10, 3190, 3192; Grams GesR 09, 69 ff; zur Verordnung eines Medikamentes als Eingriff BGHZ 162, 320, 323). Dagegen betrachtet ein Teil der Lit kunstgerecht durchgeführte ärztliche Eingriffe grds als rechtmäßig. Wurden sie jedoch nicht im Einklang mit dem Willen des Patienten – also ohne dessen Einwilligung – vorgenommen, verstoßen sie gegen sein Selbstbestimmungsrecht und verletzen damit das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Patienten (zB Larenz/Canaris § 76 II 1g; NK-BGB/Katzenmeier § 823 Rz 344 f mwN). Unterschiede beider Ansätze wirken sich – neben der nicht zu unterschätzenden psychologischen Komponente der Betrachtung ärztlichen Handelns – va bei der Beurteilung der Beweislast aus. Für diese dürfte aber aufgrund der arzthaftungsspezifischen Sonderregeln (s.u. Rn 219) die Kontroverse heute an praktischer Bedeutung verloren haben (s.a. Staud/J Hager § 823 Rz I 3; NK-BGB/Katzenmeier § 823 Rz 345 mwN). Für die Position der Rspr spricht, dass sie einen einheitlichen Prüfungsansatz für sämtliche ärztlichen Eingriffe ermöglicht und nicht bereits bei der Frage des verletzten Rechtsguts geklärt werden muss, ob eine wirksame und die konkrete Verletzung umfassende Einwilligung vorlag. Die folgende Darstellung orientiert sich an der Vorgehensweise der Rspr.

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