1. Formelle Legitimation.

 

Rn 17

Der Gesellschaftsvertrag kann abw vom gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip bestimmen, dass Entscheidungen der Gesellschafter durch Mehrheitsbeschluss getroffen werden. Für welche Entscheidungen das Mehrheitsprinzip gilt, ist durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags nach den allgemeinen Auslegungsregeln gem §§ 133, 157 – bei Publikumsgesellschaften nur durch objektive Auslegung – zu ermitteln (BGH DStR 14, 2403 Rz 15 mwN). Die Mehrheit wird iZw nach Köpfen bestimmt (vgl § 709 II für Geschäftsführungsmaßnahmen). Den seit den 50er Jahren entwickelten sog Bestimmtheitsgrundsatz, wonach allgemeine Mehrheitsklauseln nur für gewöhnliche Geschäfte und nicht für Grundlagengeschäfte gelten sollten, hat der BGH zunächst für Publikumsgesellschaften (BGH NJW 76, 958), dann auch für andere Personengesellschaften (BGH WM 07, 501; ZIP 09, 216, 218) in Frage gestellt und inzwischen ganz aufgegeben (BGH NZG 13, 63; DStR 14, 2403). Die Vertragspraxis reagierte auf den Bestimmtheitsgrundsatz durch Abbedingung oder ausf Kataloge, was nun nicht mehr erforderlich ist.

2. Materielle Legitimation, Kernbereich.

 

Rn 18

Ob eine nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen im GbR-Vertrag vorgesehene Mehrheitsentscheidung wirksam ist, ist gem BGH im zweiten Schritt durch eine inhaltliche Kontrolle anhand der Frage zu überprüfen, ob in schlechthin unverzichtbare Gesellschafterrechte oder treupflichtwidrig in beachtenswerte Belange der Minderheit eingegriffen wurde (BGH DStR 14, 2403 Rz 17 ff; so schon BGH ZIP 09, 216, 218; WM 07, 501, 503; K. Schmidt GesR § 16 II 2c; Goette FS Sigle, 145, 149 ff). Wird in die rechtliche oder vermögensmäßige Position eines Gesellschafters ohne seine Zustimmung eingegriffen, ist zu prüfen, ob der Eingriff im Interesse der GbR geboten und dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwerten Belange zumutbar ist (BGH DStR 14, 2403 Rz 19). Der BGH lehnt es ab, abstrakt einen Kernbereich der Mitgliedschaft zu bestimmen, der ohne weiteres Mehrheitsbeschlüssen entzogen ist. Vielmehr ist gem BGH der geschützte Kernbereich unter Berücksichtigung der konkreten Struktur der Gesellschaft und der Stellung des betroffenen Gesellschafters zu ermitteln (BGH DStR 14, 2403 Rz 19). In der typischen GbR dürften zum geschützten Bereich aber zählen: Die Geschäftsführungsregeln, zeitliche Dauer der GbR, das Informations-, Stimm- oder Gewinnanteilsrecht sowie die Regeln über die Verteilung des Liquidationserlöses (BGH NJW 95, 194 f [BGH 10.10.1994 - II ZR 18/94]; MüKo/Schäfer § 709 Rz 95 mwN). Die Zustimmung kann nach richtiger Auffassung auch vorab erteilt werden, auch im Gesellschaftsvertrag, doch wird eine solche Vorab-Zustimmung nur dann wirksam sein, wenn sie Art und Ausmaß des zulässigen Eingriffs, zB der Erhöhung der Beiträge, erkennen lässt (BGH DStR 14, 2403 Rz 16; MüKo/Schäfer § 709 Rz 92).

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