I. Einstimmigkeitsprinzip.

1. Einstimmigkeitsprinzip.

 

Rn 9

Das Einstimmigkeitsprinzip des § 709 I ist der gesetzliche Regelfall der Vertretung, der immer dann gilt, wenn im Gesellschaftsvertrag weder ausdrücklich noch konkludent abw vereinbart ist. Das bleibt auch nach dem MoPeG so, vgl § 714 nF. Danach bedarf auch in dringenden Fällen jede Geschäftsführungsmaßnahme der positiven Zustimmung aller Gesellschafter, ausgenommen nur der Fall der Notgeschäftsführung (Rn 11) und der Interessenkollision eines Gesellschafters (Rn 16). Eine Stimmenthaltung hat hier die Wirkung einer Ablehnung. Auch iRd Einstimmigkeitsprinzips ist es zulässig, dass sich die Gesellschafter zB iR einer Ressortierung der Geschäftsführung einander ermächtigen, alle oder bestimmte Maßnahmen der Geschäftsführung einzeln zu entscheiden (Soergel/Hadding/Kießling § 709 Rz 16, 21). Dabei handelt der ermächtigte Gesellschafter aber nur aufgrund der Ermächtigung auch für die anderen und der Grundsatz der Einstimmigkeit wird mangels Änderung des Gesellschaftsvertrags nicht berührt.

2. Ermessensspielraum.

 

Rn 10

Ob ein Gesellschafter einer Geschäftsführungsmaßnahme zustimmt, liegt grds in seinem freien (unternehmerischen) Ermessen. Zweckmäßigkeitsfragen unterliegen keiner gerichtlichen Überprüfung (BGH NJW 86, 844 [BGH 08.07.1985 - II ZR 4/85]; 72, 862). Eine Zustimmungspflicht gilt nur dann, wenn ein Ermessenspielraum nicht mehr besteht, zB bei Erfüllung einer unstr Verbindlichkeit oder wenn die Maßnahme zur Erfüllung des Gesellschaftszwecks und im Interesse der Gesellschaft so dringend geboten ist, dass eine Verweigerung der Zustimmung gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Dann ist eine gerichtliche Durchsetzung der Zustimmung zur Maßnahme zulässig (BGH NJW 83, 1192 [BGH 09.06.1982 - I ZR 5/80]; 82, 641 [BGH 02.10.1981 - I ZR 81/79]; Soergel/Hadding/Kießling § 709 Rz 16). Ist die Maßnahme sogar von existentieller Bedeutung für die Gesellschaft, kann die treuwidrige Verweigerung der Zustimmung mit der Folge unbeachtlich sein, dass die übrigen Gesellschafter auch ohne die Zustimmung zum Handeln berechtigt sind (BGH WM 86, 1556, 1557; BB 60, 112; Soergel/Hadding/Kießling § 709 Rz 16). Wird die Zustimmung verweigert, besteht nach BGH ›regelmäßig‹ eine Pflicht zur Begründung (NJW 72, 862, 863 [BGH 24.01.1972 - II ZR 3/69]; aA Flume Personengesellschaft 267). Richtig ist, eine Begründungspflicht nur dann anzunehmen, wenn das Verhalten des Gesellschafters darauf hindeutet, dass seine Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht. Eine generelle Begründungspflicht stünde im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass der Gesellschafter privatautonom über die Zweckmäßigkeit einer Geschäftsführungsmaßnahme entscheiden darf (vgl zum ganzen MüKo/Schäfer § 709 Rz 44; MüHdBGesR I/v Ditfurth § 7 Rz 30).

3. Notgeschäftsführung.

 

Rn 11

Zur Erhaltung bestimmter Gegenstände des Gesellschaftsvermögens oder der Gesellschaft selbst ist jeder Gesellschafter entspr § 744 II berechtigt, iRd Notgeschäftsführung die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, wenn dies zur Abwendung eines unmittelbar drohenden Schadens notwendig ist (BGHZ 17, 181, 183; MüKo/Schäfer § 709 Rz 21; MüHdBGesR I/v Ditfurth § 7 Rz 74). Dabei hat der handelnde Gesellschafter zwar keine Vertretungsbefugnis, kann aber die Rechte der Gesellschaft im eigenen Namen geltend machen (BayObLG ZIP 80, 904). § 29 ist nicht anzuwenden (BGH NJW 14, 3779). Anstelle der Analogie zu § 744 II ist ab 1.1.24 durch das MoPeG die Notgeschäftsführung in § 715a nF kodifiziert.

II. Mehrheitliche Geschäftsführung.

 

Rn 12

§ 709 II setzt eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag voraus und lässt es dann genügen, dass Geschäftsführungsmaßnahmen (Rn 8) mehrheitlich entschieden werden, und zwar mangels abw Vereinbarung nach Köpfen. Notwendig ist absolute Mehrheit der stimmberechtigten Stimmen, so dass Stimmenthaltung oder Nichtbeteiligung an der Abstimmung wie eine Ablehnung wirken (MüKo/Schäfer § 709 Rz 47). Ein positiver Beschl erlaubt die Umsetzung der Maßnahme, an der auch überstimmte Gesellschafter – wie zB bei Gesamtvertretungsbefugnis erforderlich – mitwirken müssen.

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