I. Voraussetzungen.

 

Rn 8

Vor dem Hintergrund einer Abwägung der Interessen des Behandelnden am Schutz seiner Person und des Patienten am Schutz seiner Gesundheit (BTDrs 17/10488 S 21), kann den Behandelnden die Pflicht treffen, eigene wie fremde Behandlungsfehler zu offenbaren (dazu Spickhoff/Spickhoff Rz 24 f; Wagner VersR 12, 789, 795 ff). Der Begriff des Behandlungsfehlers ist weit auszulegen und umfasst die (klassischen) Befunderhebungs-, Anamnese- und Diagnosefehler ebenso wie Organisationsfehler (Spickhoff JZ 15, 11, 19 f). Aufklärungsfehler sind nicht erfasst (BeckOKBGB/Katzenmeier Rz 10; krit Spickhoff VersR 13, 267, 273; für eine analoge Anwendung MüKoBGB/Wagner Rz 43).

1. Nachfrage.

 

Rn 9

Mit der Anknüpfung der Offenbarungspflicht an eine Nachfrage des Patienten normiert die Vorschrift eine Aufklärungspflicht, welcher der Behandelnde ggf. schon nach geltendem Recht aufgrund seiner vertraglichen Nebenleistungspflichten (§ 241 I) nachkommen sollte (Staud/Olzen, § 241 Rz 454). Dass nunmehr die Nachfrage tatbestandliche Voraussetzung einer Offenbarungspflicht sein soll, wirft in Bezug auf das Verhältnis der Vertragsparteien Fragen auf. Sofern nach dem Willen des Gesetzgebers das Vertrauensverhältnis der Vertragsparteien gestärkt werden soll, bleibt fraglich, warum erstens der fachunkundige Patient zur Nachfrage verpflichtet sein soll und zweitens dem misstrauischen, nicht dem gutgläubigen Patienten die Offenbarungspflicht zugutekommen soll. Überlegenswert wäre eine aus der Ethik generierte Offenbarungsverpflichtung des Behandelnden unabhängig von einer Nachfrage (Olzen/Uzunovic JR 12, 447, 448). Solange eine solche Offenbarungspflicht nicht existiert, ist es für den Patienten aus Gründen der Beweissicherung geboten, seine Nachfrage hinreichend deutlich zu formulieren und dokumentieren (Spickhoff JZ 15, 11, 22).

2. Gesundheitliche Gefahren.

 

Rn 10

Welcher Art die gesundheitlichen Gefahren sein müssen, die durch die Offenbarung des Behandlungsfehlers abgewendet werden sollen (Wagner VersR 12, 789, 795), ergibt sich weder aus dem Gesetz noch der zugehörigen Begründung. Konkrete Richtwerte scheinen allerdings auch nicht zielführend. Vielmehr wird man auf die genannte Interessenabwägung zurückgreifen müssen. Innerhalb dieser wird allerdings dem Gesundheitsschutz des Patienten sowohl aufgrund des hohen Rechtsschutzes der Gesundheit als auch wegen des (beweisrechtlich relevanten) Wissensvorsprungs des Behandelnden kein geringer Wert zugemessen werden dürfen. Von der Zweckrichtung nicht erfasst ist dagegen der Schutz vermögensrechtlicher Interessen (Spickhoff/Spickhoff Rz 28; zur Abgrenzung von der bestehenden Verpflichtung zur therapeutischen Sicherungsaufklärung Spickhoff JZ 15, 11, 22).

3. Erkennbarkeit.

 

Rn 11

Die Erkennbarkeit bezieht sich nach dem Wortlaut auf Umstände, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen. Das Vorliegen eines Behandlungsfehlers muss damit nicht mit Sicherheit feststehen, doch müssen die Umstände einen Behandlungsfehler überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen (MüKoBGB/Wagner Rz 5; Rehborn GesR 13, 257, 261: gewisse Wahrscheinlichkeit; zur Berücksichtigung von Sonderwissen des Behandelnden MüKoBGB/Wagner Rz 46). Zur Feststellung, ob ein Behandlungsfehler vorliegt oder vorliegen könnte, soll dem Behandelnden keine Recherchepflicht zur Aufklärung möglicher, für ihn nicht erkennbarer Behandlungsfehler auferlegt sein (BTDrs 17/10488 S 21). Sind dem Behandelnden entsprechende Umstände jedoch erkennbar, wird man ihm bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen von II 2 eine Recherchepflicht auferlegen können, liefe doch andernfalls die mit der Norm bezweckte Information des fachunkundigen Patienten über einen konkreten Behandlungsfehler leer.

II. Rechtsfolgen/Beweislast.

 

Rn 12

Rechtliche Konsequenzen einer Verletzung der Offenbarungspflicht sieht § 630c nicht vor (zu denkbaren Rechtsfolgen Spickhoff JZ 15, 11, 24 ff; Wagner VersR 12, 789, 797 f; gegen die Einordnung von § 630c II 2 als Schutzgesetz iSd § 823 II Spickhoff JZ 15, 11, 23), insbes geht der Anspruch aus der Verletzung der Offenbarungspflicht nicht über denjenigen Anspruch hinaus, der dem Betroffenen als Folge des Behandlungsfehlers zusteht. Bei fehlender Offenbarung eines fremden Behandlungsfehlers kann im Haftungsfalle ein Mitverschulden (§ 254) des Behandelnden anzurechnen sein (zur berufsrechtlichen Ahndung Rehborn GesR 13, 257, 261). Zu bedenken ist freilich, dass der Behandlungsfehler im Zeitpunkt der (unterlassenen) Aufklärung bereits vorlag, mithin nicht mehr verhindert werden konnte.

III. Beweisverwertungsverbot.

 

Rn 13

Systematisch fraglich (Katzenmeier MedR 12, 576, 580; Montgomery et al. MedR 13, 149, 151; Spickhoff ZRP 12, 65, 67) statuiert II 3 ein strafrechtliches Beweisverwertungsverbot. Der Behandelnde soll vor dem Hintergrund des nemo-tenetur-Grundsatzes in einem Straf- oder Bußgeldverfahren nicht gezwungen sein, sich oder einen Angehörigen (§ 52 I StPO) zu belasten. Die Verwertung der erteilten Informationen über den Behandlungsfehler bedarf demnach seiner Zustimmung. Erfasst von dem Beweisverwertungsverbot ist zum einen allein die erteilte In...

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