Rn 23

Nach IV soll der Gläubiger ›wegen der Verletzung einer Pflicht aus I‹ Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 verlangen können. Das bedeutet eine Rechtsgrundverweisung insb auf § 280 I. Zunächst muss also eine Pflichtverletzung des Rückgewährschuldners vorliegen. Hierzu gibt es einen Streit in der Lit mit erheblichen Auswirkungen für das Ergebnis (Überblick bei Faust JuS 09, 481, s.a. Meyer JURA 11, 244; offengelassen von BGH 9.2.21 – VIII ZR 316/19 Rz 11 ff).

1. Verletzung nach Entstehung der Rückgewährpflicht.

 

Rn 24

Die erste Ansicht argumentiert mit dem Wortlaut von IV: Die ›Pflichten aus I‹ seien die Rückgewährpflichten, und diese entstünden erst mit der Erklärung des Rücktritts. Eine vorher erfolgte Beeinträchtigung des zurückzugewährenden Gegenstandes falle daher selbst bei Kenntnis des Rücktrittsgrundes nicht unter IV. So etwa D. Kaiser JZ 01, 1063; Erman/Röthel/Metzger Rz 40.

2. Verletzung nach Kenntnis oder Kennenmüssen des Rücktrittsgrundes.

 

Rn 25

Die zweite Ansicht unterscheidet zwischen vertraglichem und gesetzlichem Rücktrittsrecht. Beim vertraglichen Rücktrittsrecht müsse jede Partei mit dessen Ausübung rechnen und daher mit dem empfangenen Leistungsgegenstand sorgsam umgehen. Dagegen entstehe beim gesetzlichen Rücktrittsrecht die Pflicht zur sorgsamen Behandlung erst, wenn die Partei den Rücktrittsgrund kenne oder kennen müsse. So etwa M. Schwab JuS 02, 630, 636; Huber/Faust Schuldrechtsmodernisierung 02, Kap 10 Rz 47.

3. Pflichtverletzung durch Verletzung der Rückgewährpflicht.

 

Rn 26

Die dritte Ansicht stellt nicht primär auf eine Beeinträchtigung des Gegenstandes der Rückgewährpflicht ab. Vielmehr sieht sie die Pflichtverletzung darin, dass der Schuldner die Rückgewähr ›nicht oder nicht wie geschuldet‹ (§ 281 I 1) leistet. Insoweit kommt es also nicht darauf an, wann der Grund für die Nicht- oder Schlechtleistung entstanden ist. Vielmehr spielt das erst für das Vertretenmüssen eine Rolle (u. Rn 27). So etwa MüKo/Gaier Rz 128 ff; Grüneberg/Grüneberg Rz 15, ausf Heinrichs (Rn 19) 159, 166 ff mit Widerlegung des Einwandes, eine Pflicht könne erst verletzt werden, wenn sie entstanden und fällig geworden sei. AA Erman/Röthel/Metzger Rz 40 mN.

 

Rn 27

Nach dieser Ansicht kommt der Zeitpunkt der Entstehung des Leistungshindernisses (also etwa der schlechten Behandlung des zurückzugewährenden Gegenstandes) erst über das (nach § 280 I 2 vermutete) Vertretenmüssen ins Spiel. Denn solange der Schuldner beim gesetzlichen Rücktritt den Rücktrittsgrund weder kennt noch kennen muss, braucht er mit einer Rückgewährpflicht nicht zu rechnen. Ihm fehlt daher ein Verschulden. Beim vereinbarten Rücktritt dagegen müsse mit einem Rücktritt (und daher auch mit einer Rückgewährpflicht) jederzeit gerechnet werden. Der Schuldner hafte daher bei Verschulden ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Leistungshindernisses.

4. Kritik.

 

Rn 28

Der Rückgewährgläubiger ist primär nur daran interessiert, den geleisteten Gegenstand nach dem Rücktritt unversehrt und pünktlich zurückzuerhalten. Hierdurch wird der Inhalt der Pflicht des Schuldners bestimmt. Daher ist es konsequent, mit der Ansicht von Rn 26 die Pflichtverletzung bei der mangelhaften Rückgewähr zu suchen. Für die Verzögerung der Rückgewähr ist das nach §§ 346 IV, 280 I, II, 286 ohnehin unvermeidlich. Auch der Schadensersatz statt der Leistung nach § 280 III kann nur nach diesem Zeitpunkt bestimmt werden. Folglich muss, was sachgerecht ist, auch der Schuldner das Fehlen seines Verschuldens nach § 280 I 2 beweisen. Dass dieses untechnische Verschulden schon vor der Entstehung der Rückgabepflicht liegen kann, ist nichts Besonderes. Zu folgen ist also der dritten Ansicht von Rn 26 f. Doch wird man für das Kennenmüssen des Rücktrittsgrundes eine Pflicht zu Nachforschungen nur ausnahmsweise annehmen können; sonst droht ein Wertungswiderspruch zu § 990 I.

5. Das Gebrauchsrecht des Schuldners.

 

Rn 29

Für das Recht des Schuldners, den empfangenen Gegenstand zu gebrauchen und damit möglicherweise zu verschlechtern oder zu gefährden, ist zwischen dem vertraglichen und dem gesetzlichen Rücktrittsrecht zu unterscheiden.

 

Rn 30

Beim vertraglichen Rücktrittsrecht muss sich durch Auslegung des die Überlassung regelnden Vertrages ergeben, was der Schuldner tun darf. Insb kann gerade die Erprobung der Sache sogar unter extremen Umständen Vertragszweck und damit erlaubt sein (zB bei einem Geländewagen). Wird die Sache dabei ohne weiteres Verschulden beeinträchtigt, so hat der Schuldner die daraus folgenden Mängel bei der Rückgabe nicht zu vertreten. Umgekehrt kann die Überlassung aber auch nur zur Ansicht erfolgt sein; dann mag schon die bloße Ingebrauchnahme ein Verschulden bedeuten.

 

Rn 31

Beim gesetzlichen Rücktritt wird der Überlassungsvertrag idR keine Beschränkung des erlaubten Gebrauchs enthalten (zB beim Kauf). Dann kommt bis zum Kennenmüssen des Empfängers von dem Rücktrittsgrund ein Verschulden nicht in Betracht (Heinrichs [o Rn 19] 175). Nach Kennenmüssen, aber vor dem Rücktritt kann er nach hM die Sache weiter benutzen, wenn auch mit Ausschluss einer besonderen Gefährdung. Nach Heinrichs aaO 179 ff soll dann aber die Haftungsmilderung von III 1 Nr 3 analog gelten. Das endet erst mit der Erklärung des Rückt...

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