Rn 95

Der Ersatz neu für alt wird idR im Zusammenhang mit der Vorteilsausgleichung behandelt (vgl etwa BGHZ 30, 29, 33 f). Doch stellt er einen eigenen Problembereich dar: Der mögliche Vorteil hängt nicht mit dem Schaden zusammen, sondern mit dessen Ersatz, weil nämlich dieser den Schaden an Wert übersteigt: Das abgebrannte alte Haus wird neu aufgebaut, das beschädigte Kfz erhält einen neuen Motor statt des alten. Das kommt va in Betracht, wenn es für gleichwertige alte Teile keinen Markt gibt oder wenn diese dem Geschädigten nicht zumutbar sind (zB getragene Kleidung). Die Frage lautet dann, ob der Geschädigte den notwendig erzielten Vorteil ausgleichen muss. Dabei ist zu unterscheiden:

 

Rn 96

Möglicherweise erhöht das neuwertige Ersatzteil den Wert der reparierten Sache nicht, zB ein neuer Kotflügel an einem alten Kfz. Dann kommt ein Ausgleichsanspruch des Schädigers nicht in Betracht (KG VersR 85, 272). Tritt dagegen eine solche Werterhöhung ein, so ist sie grds auszugleichen (BGHZ 30, 29). Das gilt insb, wenn an einem Kfz Verschleißteile, wie Reifen, Bremsbeläge oder Stoßdämpfer, durch neue ersetzt werden und sich so die Lebensdauer des Fahrzeugs erhöht oder der durch Abnutzung bedingte Erneuerungsbedarf erst später auftritt (vgl BGHZ 30, 29, 34; NJW 96, 584, 585 f).

 

Rn 97

Der Ausgleich, der den Vorteil des Geschädigten abschöpfen soll, erfolgt idR durch einen Abzug bei den nach § 249 II zu ersetzenden Reparaturkosten. Hinsichtlich der Höhe dieses Abzugs ist regelmäßig eine Schätzung nach § 287 ZPO erforderlich. Bei gebrauchten Gegenständen kann diese danach unterscheiden, ob es für die Sache einen ›Gebrauchtmarkt‹ gibt und die Anschaffung eines gebrauchten Gegenstandes zumutbar ist. Bejahendenfalls bietet der Wert der gebrauchten Sache vor dem Schadensereignis einen Anhaltspunkt für den Abzug; dieser ist von dem Neuwert abzuziehen. Anderenfalls kann die voraussichtliche Dauer der Nutzungsmöglichkeit herangezogen und der Abzug prozentual nach dem Anteil der bereits verstrichenen Zeit bestimmt werden, um sodann den Neupreis um diesen Betrag zu kürzen (BGH NJW 96, 584 (585), so dass die Höhe des Abzugs nach der Relation der Nutzungsdauer von altem und neuem Gegenstand zu bemessen ist (BGH NJW 59, 1078 [BGH 24.03.1959 - VI ZR 90/58]). Bei wenig getragenen Kleidungsstücken ist der Preis für die Wiederbeschaffung um 10 % gemindert worden (BGH VersR 64, 257 [BGH 16.12.1963 - III ZR 219/62]). Aus Zumutbarkeitsgründen kommt ein Abzug neu für alt nicht in Betracht bei Gegenständen, die am oder im Körper getragen werden (Hamm VersR 11, 637: neuer Herzschrittmacher). Auch sind bei der Wiederherstellung von Gebäuden Baunebenkosten wie Honorare für Architekten und Ingenieure und die Kosten der Baustelleneinrichtungen von vornherein nicht abzugsfähig, da sie nicht wertsteigernd wirken; auch sonstige Baupreissteigerungen gehen zu Lasten des Schädigers (BGH NJW 1988, 1835 [BGH 08.12.1987 - VI ZR 53/87]).

 

Rn 98

Problematisch bleibt bei einem solchen Abzug freilich, dass er auf einem Vermögenszuwachs beruht, der dem Geschädigten erst durch die Herstellung aufgedrängt worden ist. So bleibt in dem Fall von BGHZ 102, 322, 331 f der Geschädigte zunächst auf einem Teil der für den Neubau aufzuwendenden Kosten sitzen. Durch diesen drohenden Nachteil darf er weder zu einem Verzicht auf die Herstellung noch gar zu einem Verkauf des Grundstücks gezwungen werden. Daher muss er zunächst die vollen Herstellungskosten ersetzt verlangen können; den Ausgleich braucht er erst zu leisten, wenn er den Mehrwert realisiert (durch Verkauf oder das Ersparen von Aufwendungen). Vgl hierzu Lange/Schiemann § 6 V 3.

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