Rn 19

Besondere Bedeutung wird § 242 zukünftig auch bei der Durchsetzung unionsrechtlicher Vorgaben zukommen. Die insoweit meist einschlägigen EG-Richtlinien gelten unter Privaten grds nicht unmittelbar (Calliess/Ruffert, Art 288 AEUV Rz 47 ff). Allerdings hat der Europäische Gerichtshof das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung in jüngerer Zeit erheblich ausgeweitet (Schlechtriem/Schmidt-Kessel Schuldrecht AT Rz 16, 154a). Insbes verlangt der Gerichtshof, dass die nationalen Gerichte das gesamte nationale Recht berücksichtigen, um zu prüfen, ob es so angewendet werden kann, dass es nicht zu einem der Richtlinie widersprechenden Ergebnis führt (EuGH, 25.2.99, Rs C-131/97, Slg 99, I-1103 [Carbonari], Rz 49 f). Zu den anzuwendenden Bestimmungen zählt zweifellos auch § 242 (s BGH BB 10, 837 Rz 18 [EnforcementRL]; BAG NZA 13, 1267 [BAG 15.05.2013 - 7 AZR 494/11] Rz 31 [LeiharbeitsRL]). Dabei muss der deutsche Richter auch auf die Grundsätze zurückgreifen, nach denen die Wertungen des GG über die Generalklauseln des BGB in Privatrechtsverhältnisse hineinwirken. Ermöglicht es nämlich das nationale Recht durch die Anwendung seiner Auslegungsmethoden, eine innerstaatliche Bestimmung unter bestimmten Umständen so auszulegen, dass eine Kollision mit einer anderen Norm innerstaatlichen Rechts vermieden wird, so ist das nationale Gericht nach Auffassung des EuGH verpflichtet, die gleichen Methoden anzuwenden, um das von der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (EuGH, 5.10.04, Rs C-307/01 bis C-403/01 [Pfeiffer], Rz 116; dazu Staffhorst GPR 05, 89, 90 f). Dieses Gebot der Gleichbehandlung des Unionsrechts zwingt neben der richtlinienkonformen Auslegung auch zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung (s Vor §§ 241 ff Rn 13), welche für das Schuldrecht vorzugsweise auf § 242 zu stützen ist. Wegen der eingeschränkten Wirkung der Grundfreiheiten unter Privaten (s Vor § 241 Rn 12) wird deren Heranziehung bei der Konkretisierung von Treu und Glauben nur selten geboten sein (s aber BGH NJW 06, 1062, 1064 [BGH 16.11.2005 - VIII ZR 5/05] [Dienstleistungsfreiheit und Parabolantenne des Mieters]). Möglich ist aber ggf eine Durchsetzung von Art 102 AEUV (s BGH GRUR 09, 694 [BGH 06.05.2009 - KZR 39/06] [zu Art 82 EGV gegen den Patentinhaber]). Das Berufen auf eine nationale Vorschrift, die sich nicht unionsrechtskonform auslegen lässt, ist nicht treuwidrig (BGH NJW 22, 3228 [BGH 02.06.2022 - VII ZR 174/19] Rz 19).

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