Gesetzestext

 

Hat der Erblasser die Armen ohne nähere Bestimmung bedacht, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die öffentliche Armenkasse der Gemeinde, in deren Bezirk er seinen letzten Wohnsitz gehabt hat, unter der Auflage bedacht ist, das Zugewendete unter Arme zu verteilen.

 

Rn 1

§ 2072 fasst eine Erbeinsetzung, die wörtlich oder in einer bedeutungsgleichen Formulierung (Hamm OLGZ 84, 323) zugunsten der ›Armen‹ verfügt wird, mangels anderer Anhaltspunkte im Willen des Erblassers als eine Erb- oder Vermächtniseinsetzung des Trägers der Sozialhilfe am letzten Wohnsitz des Erblassers, § 3 SGB XII (Hamm MDR 84, 940), auf, die mit der Auflage verbunden ist, das Geld unter Arme am letzten Wohnsitz des Erblassers nach Maßgabe des § 2193 zu verteilen. Bei einem Wohnsitzwechsel etwa aus Pflegegründen nicht allzu lange Zeit vor dem Tod des Erblassers wird die Auslegung ergeben, dass ein über lange Jahre zuvor bestehender Wohnsitz maßgeblich sein soll.

 

Rn 2

Die Regel gilt analog, wenn der Erblasser nicht alle Armen, sondern nur einen bestimmten Kreis grds bedürftiger Menschen bedacht hat, etwa ›die Behinderten‹ oder ›die Obdachlosen‹ (KG NJW-RR 93, 76 [KG Berlin 11.08.1992 - 1 W 6715/89]; BayObLG NJW-RR 98, 340; NJW-RR 00, 1174 [BayObLG 19.04.2000 - 1 Z BR 130/99]). Weitere Analogien scheitern daran, dass § 2072 eine Vorschrift ist, die nur ausnahmsweise karitativen Verfügungen, die gem § 2065 unwirksam wären, zur Geltung verhelfen soll.

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