Gesetzestext

 

(1) Der Erblasser kann eine letztwillige Verfügung nicht in der Weise treffen, dass ein anderer zu bestimmen hat, ob sie gelten oder nicht gelten soll.

(2) Der Erblasser kann die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstands der Zuwendung nicht einem anderen überlassen.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Der Erblasser muss Geltung und Inhalt sämtlicher letztwilliger Verfügungen selbst festlegen, also seinen Willen vollständig und abschließend selbst bilden und diesen wirksam in einem Testament niederlegen (materielle Höchstpersönlichkeit). Er darf deshalb die Entscheidung, ob und wann eine Verfügung gelten soll, wer Zuwendungsempfänger ist und welchen Gegenstand dieser erhalten soll, nicht einem Dritten überlassen.

 

Rn 2

Vor Anwendung des § 2065 ist zunächst der Wille des Erblassers durch Auslegung zu ermitteln (vgl etwa BayObLG NJW 88, 2742). Erst wenn der Inhalt hiernach unklar bleibt oder ein Dritter zur Entscheidung über Geltung, Empfänger oder Gegenstand berufen ist, stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Selbstbestimmungsgebot (BayObLG FamRZ 02, 200).

 

Rn 3

Verfügungen, die gegen § 2065 verstoßen, sind nichtig (BayObLG FamRZ 00, 1392). In Betracht kommt jedoch eine Umdeutung der unwirksamen Erbeinsetzung etwa in ein wirksames Vermächtnis oder eine wirksame Auflage, § 140 (BGH WM 87, 564, vgl auch § 2084 Rn 18).

B. Geltung einer letztwilligen Verfügung.

I. Unzulässige Anordnungen.

 

Rn 4

§ 2065 I verbietet es, die Geltung des Testaments insgesamt oder einer einzelnen darin enthaltenen letztwilligen Verfügung vom Willen eines Dritten abhängig zu machen. Der Erblasser kann deshalb seine Verfügungen weder an die Zustimmung eines Dritten knüpfen noch einen Dritten ermächtigen, sie zu widerrufen oder abzuändern (RGZ 79, 32; München ZEV 16, 390 [OLG München 27.01.2016 - 31 Wx 168/15]) oder unter mehreren Verfügungen auszuwählen. So kann zB dem überlebenden Ehegatten in einem Ehegattentestament oder Erbvertrag nicht das Recht eingeräumt werden, Zuwendungen seitens des verstorbenen Ehegatten zu ändern oder aufzuheben, ›wenn das Verhalten der im Testament bedachten Personen dem Überlebenden berechtigten Anlass zu Beschwerden gibt‹ (BGH NJW 51, 959 [BGH 26.04.1951 - IV ZR 4/50]). Auch die Bestimmung in einem Testament, in der sich der Erblasser im Anschluss an die Berufung seiner Ehefrau als Vorerbin darauf beschränkt, den Personenkreis zu benennen, aus dem die von ihm dazu ermächtigte Ehefrau den Nacherben noch bestimmen soll, ist unwirksam (Hamm MDR 07, 663).

II. Zulässige Anordnungen.

 

Rn 5

Wohl aber kann der Erblasser bestimmen, dass für Streitigkeiten über Wirksamkeit oder Inhalt des Testaments ein Schiedsrichter zuständig ist (vgl § 1066 ZPO), der jedoch nicht anstelle des Erblassers, sondern anstelle der staatlichen Zivilgerichtsbarkeit handelt (Celle ZEV 16, 337 [OLG Celle 10.12.2015 - 6 W 204/15]); dieses Amt kann auch der Testamentsvollstrecker wahrnehmen (RGZ 100, 76), soweit er dabei nicht Richter in eigener Sache wird, vgl § 41 ZPO (BGHZ 41, 23). Durch einen Vorbehalt ermöglichte Abänderungen wechselbezüglicher Verfügungen können von der Zustimmung eines Testamentsvollstreckers abhängig gemacht werden (Bremen ZEV 18, 90 [OLG Bremen 30.08.2017 - 5 W 27/16])

 

Rn 6

Das Verbot, die Entscheidung über die Geltung einem anderen zu überantworten, verbietet nicht aufschiebend oder auflösend bedingte Verfügungen (vgl §§ 2074, 2075). Zur Entscheidung über den Eintritt der Bedingung kann der Erblasser einen Schiedsgutachter einsetzen. Zulässig ist insoweit, dass der Erblasser die Wirksamkeit einer Verfügung nicht nur vom Eintritt eines künftigen Ereignisses abhängig macht, sondern zusätzlich davon, dass ein Dritter den Eintritt feststellt, der dazu ggf besonders befähigt ist (Staud/Otte § 2065 Rz 22). Diese Feststellung ersetzt nicht die Entscheidung des Erblassers. Die Bedingung muss jedoch ausreichend bestimmt formuliert sein. Eine Potestativbedingung ist nur dann zulässig, wenn für den Erblasser das Ereignis, nicht aber dessen Abhängigkeit vom Willen eines Dritten im Vordergrund steht, weil ansonsten die Bedingung auf eine Vertretung im Willen hinausliefe (BGH NJW 55, 100 [BGH 18.11.1954 - IV ZR 152/54]; BayObLG NJW 93, 138 [BayObLG 20.07.1992 - RE-Miet 5/91]; KG ZEV 98, 260; Stuttg FGPrax 05, 221). Es sind deshalb Potestativbedingungen zulässig, bei denen der Erblasser seinen Willen vollständig gebildet hat und in seine Überlegungen das mögliche, wenn auch willensabhängige künftige Ereignis einbezogen hat (Stuttg FGPrax 05, 221). Eine unzulässige Vertretung im Willen soll insb dann vorliegen, wenn zwar das Ereignis bestimmt ist, sein Eintritt aber von jeder beliebigen Person herbeigeführt werden kann (Grabpflege, Einäscherung, Beistand, vgl BayObLG FamRZ 91, 610; KG ZEV 98, 260; Köln ZErb 14, 287; NJW-RR 17, 648; aA Wagner ZEV 98, 255; Keim ZEV 14, 72; vgl Karczewski ZEV 18, 192).

 

Rn 7

Zulässig ist die Anordnung, dass die Wirksamkeit der Verfügung davon abhängen soll, ob der Bedachte den Pflichtteil fordert, die Erbschaft ausschlägt, heiratet oder eine Ausbildung abschließt. Ebenfall...

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