Rn 4

Das Umgangsrecht des nichtsorgeberechtigten Elternteils steht ebenso wie die elterliche Sorge des anderen Elternteils unter dem Schutz des Art 6 II 1 GG. Beide Rechtspositionen erwachsen aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Elternverantwortung und müssen von den Eltern im Verhältnis zueinander respektiert werden. Das Umgangsrecht ist kein Teil der elterlichen Sorge und besteht unabhängig von ihr (BGH FamRZ 16, 1752, 1756 mAnm Lack; München FamRZ 11, 823; Karlsr FamRZ 14, 1378). Der sorgeberechtigte Elternteil muss grds den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil ermöglichen. Dadurch soll dem nichtsorgeberechtigten Elternteil Gelegenheit gegeben werden, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Absprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten und einer Entfremdung vorzubeugen sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen (stRspr BverfG FamRZ 71, 412, 424; 95, 86, 87; 05, 1057; 06, 605; 07, 105; 07, 531, 533; 09, 399; 10, 1622; BGH FamRZ 65, 130; 84, 778, 779; 87, 356, 358; Kobl FamRZ 14, 2010). Der Staat muss das Umgangsrecht fördern und ihm auch zur Durchsetzung verhelfen, soweit dies mit den Rechten anderer, insb dem Kindeswohl noch in Einklang zu bringen ist (EuGHMR FamRZ 08, 1059; 18, 350).

 

Rn 5

Der Umgang dient dem Wohl des Kindes, weil der Kontakt zu beiden Eltern seine Sozialisation fördert und es für seine Identifikation und Selbstfindung nicht nur einen Elternteil als ständigen Bindungspartner braucht, sondern auch den anderen faktisch nicht verlieren darf (vgl Staud/Rauscher § 1684 Rz 32; J/H/A/Rake § 1684 Rz 4).

 

Rn 6

Der umgangsberechtigte Elternteil, der nicht Inhaber oder Mitinhaber der elterlichen Sorge ist, hat nach wohl noch hM kein Erziehungsrecht (Soergel/Straetz § 1634 aF Rz 11; FA-FamR/Büte Kap 4 Rz 404), jedoch wird man ihm ein Mitprägungsrecht zugestehen müssen, wenn der Umgang das Kindeswohl fördern soll (für Miterziehungsrecht: Staud/Rauscher § 1684 Rz 41; J/H/A/Rake § 1684 Rz 4).

 

Rn 7

Dieses Mitprägungsrecht des anderen Elternteils findet im Kindeswohl aber nicht nur sein Ziel, sondern auch seine Grenze. Deshalb muss der umgangsberechtigte Elternteil alles vermeiden, was das Kind in einen Loyalitätskonflikt zwischen ihm und dem Sorgerechtsinhaber bringen könnte (vgl Staud/Rauscher § 1684 Rz 41). Dies folgt auch aus der Wohlverhaltensklausel des II. Das Sorgerecht wird nur – aber eben auch – insoweit eingeschränkt, als das zur Erreichung des Zwecks des Umgangsrechts erforderlich ist (BGH FamRZ 69, 148; München FamRZ 98, 974).

 

Rn 8

Im Zweifel gebührt dem Sorgerecht der Vorrang. Dies ist aber nicht schon dann der Fall, wenn der umgangsberechtigte Elternteil sich nicht so verhält, wie es ein ›Idealelternteil‹ im objektiven Sinn oder in der Vorstellung des Sorgerechtsinhabers tun würde. Auch im Falle des Zusammenlebens der Eltern ist dies häufig nicht so. Dennoch kann das Kind davon profitieren, dass es unterschiedliche Lebensweisen und Überzeugungen kennen lernt. Es ist eben das Kind seiner Eltern, die in ihrer Unterschiedlichkeit wiederum ein Spiegelbild der Gesellschaft sind. Grds ist es aber für die Sozialisation des Kindes förderlich, wenn es altersangemessene Erfahrungen machen kann. Im Einzelfall kann es schwierig sein abzuwägen, ob der Sorgerechtsinhaber die vom umgangsberechtigten Elternteil vertretene Auffassung noch tolerieren muss oder ob diese bereits einen unzulässigen Eingriff in das Sorgerecht darstellt (vgl München FamRZ 98, 974).

 

Rn 9

Das so verstandene Miterziehungsrecht des nichtsorgeberechtigten Elternteils gibt ihm aber nicht das Recht die Personensorge ggü Dritten auszuüben. Deshalb ist der umgangsberechtigte Elternteil nicht befugt, an den Kindergarten, die Schule oder Ärzte heranzutreten, um Informationen über sein Kind zu erhalten. Hierzu muss er vielmehr gem § 1686 Auskunft vom anderen Elternteil verlangen.

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