Rn 6

Die Obliegenheit zur Arbeitssuche kann schon vor Rechtskraft der Scheidung beginnen. Der Zeitpunkt für den Beginn der Erwerbsobliegenheit (grundl BGH FamRZ 08, 2104; 87, 684) kann auch schon zu Zeiten der Kindesbetreuung einsetzen, wenn das Ende der Kindesbetreuung verlässlich absehbar ist. Andererseits kann der Zeitpunkt für den Beginn der Erwerbsobliegenheit hinausgeschoben sein, wenn der Verpflichtete einen Vertrauenstatbestand durch freiwillige Unterhaltszahlung bei erkennbar fehlender Erwerbsbemühung schafft (Karlsr FuR 05, 329). Anspruchsvoraussetzung ist nicht schon die Arbeitslosigkeit, sondern das Unvermögen des Ehegatten, mit zumutbarer Anstrengung eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden. Hieraus ist die Obliegenheit abzuleiten, sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit intensiv zu bemühen. Die inhaltlichen Voraussetzungen (BGH FamRZ 11, 1851; Kleffmann FuR 00, 454) sind vielschichtig. Die an eine ausreichende Bemühung um Arbeit zu stellenden Anforderungen sind nicht in allen Fällen gleich. Ob ein Arbeitsuchender eine Stelle finden kann (zur erforderlichen realen Beschäftigungschance grundl BGH FamRZ 12, 1040; 11, 1851), hängt einerseits von den Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt, andererseits aber auch von den persönlichen Voraussetzungen des Arbeitsuchenden ab, insb von seinem Alter, seiner Gesundheit, seiner Vorbildung, seinem bisherigen beruflichen Werdegang und seinen sonstigen persönlichen Voraussetzungen (BGH FuR 12, 85). Eine Meldung bei der Agentur für Arbeit ist stets nötig, aber allein nicht ausreichend (BGH FamRZ 12, 1040; 11, 1851). Regelmäßig sind auch intensive Privatinitiativen erforderlich. Hierzu zählen rechtzeitige Bewerbungen auf Stellenangebote in Zeitungen oder sonstigen Werbeträgern, aber auch iRd finanziell Zumutbaren die Aufgabe eigener Stellenannoncen (Dresd FF 00, 31). Die Bewerbung muss zielgerichtet (Bambg FamRZ 88, 725) sein, einen konkreten Bezug zur angebotenen Stelle haben (Hamm FamRZ 92, 63) und insgesamt einen ›werbenden Charakter‹ aufweisen. In zeitlicher Hinsicht muss bei vollschichtiger Erwerbsobliegenheit grds die gesamte Arbeitskraft der Stellensuche gewidmet werden (Karls FamRZ 02, 1566; Hamm FamRZ 96, 629). Die Bemühungen müssen nachhaltig, dh insb kontinuierlich und ohne zeitliche Lücken sein (BGH FamRZ 08, 2104).

 

Rn 6a

Bei einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit hat der Berechtigte sich grds unter Einsatz aller zumutbaren Mittel um eine vollschichtige Ausweitung seiner Tätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber oder um eine vollschichtige Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber zu bemühen. Genügen die Erwerbsbemühungen des unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht, ist ihm fiktives Einkommen in Höhe eines realistischerweise erzielbaren Einkommens zuzurechnen (Brandbg FamRZ 21, 35).

 

Rn 6b

Checkliste: Darlegung ernsthafter Erwerbsbemühungen (vgl Kleffmann FuR 00, 454):

 
Praxis-Beispiel
1. Darlegung des schulischen und beruflichen Werdegangs
2.

Meldung beim Jobcenter

a) Mitteilung, seit wann beim Jobcenter als arbeitssuchend gemeldet
b) Mitteilung, ob das Jobcenter Einschränkungen für bestimmte Tätigkeitsbereiche, etwa wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen, gemacht hat
c) Mitteilung, ob beine ärztliche Untersuchung durch das Jobcenter stattgefunden hat
3.

Darlegung der Eigenbemühungen

a) Vorlage eigener Inserate
b)

bei schriftlichen Bewerbungen

  • Vorlage der Stellenangebote
  • Vorlage einer Abschrift des Bewerbungsschreibens
  • Vorlage eines Ablehnungsschreibens
c)

bei persönlichen oder telefonischen Bewerbungen Darstellung

  • des Zeitpunkts des Gesprächs
  • Art und infrage kommende Stellen
  • Name und Anschrift des jeweiligen Gesprächspartners
4. Je mehr solcher Bewerbungsunterlagen vorgelegt werden, desto eher wird das FamG zu der Überzeugung gelangen, dass ernsthafte Erwerbsbemühungen vorliegen.
 

Rn 6c

Indizien gegen die Ernsthaftigkeit sind:

  • Bewerbungen erst kurz vor dem Gerichtstermin
  • standardisierte Bewerbungsschreiben ohne konkreten Bezug zum Arbeitsplatz
  • Bewerbungen bei (zu weit) entlegenen Firmen, die ohne Weiteres nicht erreichbar sind
  • ›Pro Forma‹-Bewerbungsschreiben, die so abgefasst sind, dass sie den Eindruck von mangelnder Eignung oder Arbeitsunlust erwecken.

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