Rn 23

Der Prozessvergleich kann aus materiell-rechtlichen Gründen unwirksam sein, so wenn er gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, sittenwidrig ist, wenn einer der Beteiligten bei Abschluss des Vergleichs geschäftsunfähig gewesen ist oder wenn der Vergleich wirksam gem § 142 BGB angefochten wurde. In der Regel ist dann auch die Prozessbeendigungsvereinbarung unwirksam; hier ist der Auslegungsregel zu folgen, dass mangels ausdrücklicher anderweitiger Vereinbarung die Wirksamkeit der Prozessbeendigungsvereinbarung vom Zustandekommen der sonstigen Vereinbarungen abhängig sein soll und die Prozesshandlung ihre Wirksamkeit verliert, wenn der materielle Vergleich unwirksam ist (BGHZ 79, 71, 74; NJW 85, 1962, 1963). Kommt wegen formeller Mängel ein wirksamer Prozessvergleich nicht zustande, führt dies nicht ohne weiteres zur Ungültigkeit der materiell-rechtlichen Vereinbarung. Ein formnichtiger Prozessvergleich kann gem § 140 BGB als außergerichtlicher Vergleich iSd § 779 BGB aufrechterhalten werden. Es ist Auslegungsfrage, ob die Parteien den Vergleich auch ohne die Vollstreckungsmöglichkeit und ohne zweifelsfreie Prozessbeendigungswirkung gewollt hätten (BGH NJW 85, 1962, 1963 [BGH 24.10.1984 - IVb ZR 35/83]; BAG NJW 60, 1364; BVerwG NJW 94, 2306, 2307 [BVerwG 27.10.1993 - BVerwG 4 B 175.93]; aA MüKoZPO/Wolfsteiner Rz 35, 67).

 

Rn 24

Bei einem Streit um Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Prozessvergleichs ist das Ursprungsverfahren fortzusetzen; das Verfahren ist bei Unwirksamkeit des Vergleichs noch nicht beendet; von daher scheidet eine Vollstreckungsabwehrklage aus (BGHZ 16, 388, 390; 86, 184, 187, 188; aA St/J/Münzberg Rz 69, wonach das Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsklage erst dann entfällt, wenn eine Partei bereits zulässigerweise den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt hat). Einer neuen Leistungsklage steht der Einwand einer anderweitigen Rechtshängigkeit entgegen (Musielak/Voit/Lackmann Rz 21). Der Prozess ist in der Instanz zu führen, in welcher der Prozessvergleich abgeschlossen wurde; dies kann auch die Revisionsinstanz sein (BAG NJW 98, 181). Hat der Vergleich mehrere Verfahren erledigt, kann die Fortsetzung jedes einzelnen Verfahrens beantragt werden oder aber die Wirksamkeit des Gesamtvergleichs in einem neuen Verfahren geklärt werden (BGHZ 87, 227, 230 ff; BAG ZZP 97 [1984] 213, 214). Wurde in dem Prozessvergleich eine über den Streitgegenstand hinausgehende Regelung getroffen und wird ausschl deren Unwirksamkeit geltend gemacht, kann die Unwirksamkeit ebenfalls in einem neuen Verfahren geltend gemacht werden (BGHZ 87, 227, 230 ff). Im Weg der Vollstreckungsgegenklage ist vorzugehen, wenn noch andere Einwendungen außer der Unwirksamkeit des Vergleichs geltend gemacht werden (BGH NJW 67, 2014; St/J/Münzberg Rz 69). Mit der Vollstreckungsabwehrklage ggü einem Vergleich können, da § 767 II keine Anwendung findet, auch Einwendungen erhoben werden, die sich auf zeitlich vor dem Vergleich liegende Tatsachen stützen (BGH NJW 67, 2014). Macht nach Abschluss eines Prozessvergleichs eine Partei außer der Nichtigkeit des Vergleichs auch geltend, dass die durch den Vergleich begründete Forderung nachträglich weggefallen ist, dann ist für sämtliche Einwendungen die Vollstreckungsgegenklage der zutreffende Rechtsbehelf. Bei Fortsetzung des Verfahrens und Streit um die Unwirksamkeit oder Wirksamkeit des Vergleichs muss, falls der Vergleich sich als wirksam geschlossen erweist, ausgesprochen werden, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt oder die Fortsetzung des Verfahrens unzulässig ist; insoweit hat Feststellungsurteil zu ergehen. Erweist sich der Vergleich als unwirksam, ist über die Klage zu entscheiden (BGHZ 46, 277, 278; WM 85, 673). Zudem kann jeder Vergleichsschuldner nach § 737 rügen, dass die Erteilung der Vollstreckungsklausel wegen prozessualer Nichtigkeit des Vergleichs unzulässig ist (St/J/Münzberg Rz 60). Bestreitet eine Partei die Wirksamkeit des Vergleichs, kann der Gegner selbstständige Klage auf Feststellung erheben, wonach der Vergleich wirksam sei (Frankf MDR 75, 584, 585). Das Feststellungsinteresse entfällt, wenn der andere dann doch den ursprünglichen Prozess fortsetzt oder Vollstreckungsabwehrklage erhebt.

 

Rn 25

Die Verfahrensfortsetzung hindert die Vollstreckung aus dem Vergleich nicht (Frankf NJW-RR 95, 703; St/J/Münzberg Rz 69).

 

Rn 26

Eine Fortsetzung des ursprünglichen Verfahrens findet nicht statt, wenn die anfängliche Nichtigkeit eines in einem Eilverfahren auch die Hauptsache erledigenden Prozessvergleichs aus Gründen, welche die Regelung in der Hauptsache betreffen, geltend gemacht werden soll; hierdurch würde der Zweck des Eilverfahrens unterlaufen. Auch Vollstreckungsgegenklage scheidet aus. Der Ast, der die Nichtigkeit geltend machen will, muss hier Hauptsacheklage erheben; will der Ag die Vergleichsnichtigkeit überprüfen lassen, muss er dies im Weg der negativen Feststellungsklage tun (Hamm MDR 80, 1019; Köln MDR 71, 671; Schuschke/Walker/Walk...

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