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Die Vorschrift regelt, vor welchen Gerichten Anwaltszwang besteht und welche Personen sich in einem gerichtlichen Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen. Soweit diese Verpflichtung besteht, spricht das Gesetz von einem Anwaltsprozess (Gegenbegriff: Parteiprozess, § 79). Die Vorschrift dient zum einen dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Rechtspflege (BGH FamRZ 87, 58; BVerwG NJW 05, 3018). Denn durch die Einschaltung von Rechtsanwälten soll der Prozessstoff in rechtlicher Hinsicht aufbereitet und dadurch die Effektivität der mündlichen Verhandlung und der Verfahrensdurchführung gesichert, der Streit versachlicht und Chancengleichheit hergestellt werden. Zum anderen dient die Vorschrift dem Schutz der Prozessparteien, da ihr Begehren schon vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens einer kritischen, an rechtlichen Maßstäben orientierten Prüfung unterzogen wird und die Partei Hilfestellung bei der Einhaltung der Verfahrensvorschriften erhält (Zö/Althammer § 78 Rz 5; MüKoZPO/Toussaint § 78 Rz 3; Anders/Gehle/Weber ZPO § 78 Rz 3). Die Vorschriften über den Anwaltszwang sind verfassungsgemäß (BVerfG NJW 93, 3192; NJW 17, 2670 Rz 12; BGH NJW 90, 3085 [BGH 07.06.1990 - III ZR 142/89]; 06, 966), auch die Regelung zur Singularzulassung beim BGH (BVerfG NJW 02, 3765 [BVerfG 31.10.2002 - 1 BvR 819/02]; 17, 2670 [BVerfG 13.06.2017 - 1 BvR 1370/16] Rz 12; BGH GRUR-RR 20, 509 Rz 12), die auch gemeinschaftsrechtlich zulässig ist (BGH Beschl v 16.6.11 – IX ZB 166/11). Ebenso wenig verstoßen die Regelungen gegen Art 6 EMRK (EGMR, NJW 108, 2317 Rz 130; BGH Beschl v 13.3.2018 – XI ZB 17/18 Rz 10). Die Anordnung des Anwaltszwanges ist zwingend, die Gerichte müssen sie vAw in jeder Verfahrenslage beachten (BGH NJW 92, 2706). Der Anwaltszwang in Familiensachen ist in § 114 FamFG geregelt.

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