Rn 10

Eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte wird dann angenommen, wenn die Vollstreckungsmaßnahme das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht wahrt. Dies ist dann der Fall, wenn dem Schuldner durch die Vollstreckungsmaßnahme nur Schaden entstehen würde, der Gläubiger hingegen nicht einmal eine auch nur tw Befriedigung erhalten würde. Dies muss allerdings völlig zweifelsfrei feststehen; eine Vollstreckungsmaßnahme ist nicht bereits deshalb einzustellen oder aufzuheben, weil sie voraussichtlich für den betreibenden Gläubiger nutzlos wäre (BGH FamRZ 06, 697; NJW-RR 03, 1648, 1649). Nicht ausreichend ist es, dass die weitere Zwangsvollstreckung nur einen Erlös erbringen könnte, der in einem krassen Missverhältnis zu dem wahren Wert der Pfandsache stehen würde (BGH FamRZ 06, 697). Bloße Prognosen über die Aussichtslosigkeit der Zwangsvollstreckung reichen nicht aus; das Ergebnis einer Vollstreckung kann insb auch bei der Zwangsversteigerung niemals mit absoluter Sicherheit vorausgesagt werden, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Lauf des Verfahrens vorgehende Rechte wegfallen oder im Versteigerungstermin ein außerordentlich hohes Gebot abgegeben wird (Ddorf Rpfleger 89, 469, 470; Köln NJW-RR 95, 1472).

 

Rn 11

Aussichtslosigkeit und damit Unverhältnismäßigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme liegen vor, wenn der Schuldner durch die Pfändung sein Nießbrauchsrecht verlieren würde, ohne dass der Gläubiger aus dem verlorenen Recht befriedigt werden könnte; dies ist dann der Fall, wenn ein Nießbrauchsrecht in der Weise bestellt ist, dass es bei Pfändung erlischt (Frankf JurBüro 80, 1899, 1900). Die Anordnung der Erzwingungshaft zur Abgabe einer eV gem § 901 ist auch dann verhältnismäßig, wenn die beabsichtigte Vollstreckungsmaßnahme erkennbar aussichtslos ist, weil sie sich gegen einen leistungsunfähigen Schuldner richtet. Begründet wird dies damit, dass der Schuldner die Freiheitsentziehung durch Abgabe der eV gem § 903 jederzeit abwenden kann; hierdurch erleidet er, hat er tatsächlich keine pfändbaren Vermögensgegenstände, keine Nachteile (BVerfG NJW 83, 559). Der Gläubiger kann auch nicht darauf verwiesen werden, bei geringen Forderungen von der Immobiliarzwangsvollstreckung abzusehen und andere den Schuldner weniger belastende Vollstreckungsarten zu wählen. Das Gesetz lässt die Zwangsversteigerung auch wegen geringer Forderungen zu; andererseits hat es der Schuldner in der Hand, die Immobiliarvollstreckung durch Leistung abzuwenden (BGH NJW 04, 3635, 3636, 3637). Auch bei einem krassen Missverhältnis zwischen zu erwartendem Versteigerungserlös und tatsächlichem Grundstückswert ist Vollstreckungsschutz nicht zu gewähren (BGH FamRZ 06, 697). Die Beitreibung wegen eines Bagatellbetrages begründet ebenfalls keine sittenwidrige Härte (BVerfG NJW 78, 2023, 2024 [BVerfG 20.06.1978 - 1 BvR 30/78]). Besteht bei Kontenpfändung keine Aussicht, nennenswerte Beträge zu erhalten, weil auf dem Konto nur unpfändbare Zahlungen eingehen, ist die Aufrechterhaltung der Pfändungsmaßnahme dennoch verhältnismäßig, auch wenn die Gefahr der Kontokündigung besteht, wenn die Pfändung nicht aufgehoben wird; eine Veränderung der Situation kann niemals ausgeschlossen werden (vgl Anders/Gehle/Vogt-Beheim ZPO Rz 18 Stichwort: ›Konto‹; aA Nürnbg MDR 01, 835, 836 [OLG Nürnberg 11.12.2000 - 4 W 3614/00]).

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