Rn 1

§ 717 schafft den rechtlichen Ausgleich dafür, dass der Gläubiger mit dem Eintritt der vorläufigen Vollstreckbarkeit seines Titels in das Vermögen des Schuldners vollstrecken darf, ohne dass bereits rechtskräftig feststeht, ob dieser Zugriff materiell berechtigt ist. Die definitive Erkenntnis hierüber steht erst am Ende des Rechtsmittelverfahrens. Das Risiko, dass die vorläufig vollstreckbare Entscheidung später aufgehoben oder abgeändert wird, nimmt das Gesetz hin, weil der Gläubiger bereits einen rechtsgültigen und vollstreckbaren Titel für seine materiell-rechtliche Forderung erstritten hat. Dem Schuldner wird grds angesonnen, den Vollstreckungszugriff über sich ergehen zu lassen. Denn solange die vorläufige Vollstreckbarkeit andauert, ist dieser rechtmäßig (BGHZ 85, 110, 113 = NJW 83, 232). Kompensiert wird dieser klare vollstreckungsrechtliche Vorteil des Gläubigers ggü dem Schuldner durch die Regelung des § 717 in mehrfacher Hinsicht.

 

Rn 2

Auf der Primärebene endet die vorläufige Vollstreckbarkeit des Titels bereits dann, wenn eine den Titel abändernde oder aufhebende Entscheidung ergeht, nicht erst, wenn diese Entscheidung rechtskräftig wird. Auf der Sekundärebene wird der Schuldner mit eben dieser Aufhebung oder Abänderung Gläubiger eines materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruchs nach § 717 II, III. Auch dieser hat eine besondere, für den Schuldner günstige Rechtsnatur. Er ist nämlich ähnl einem Schadensersatzanspruch aus Gefährdungshaftung ausgestaltet, setzt also weder ein rechtswidriges noch ein schuldhaftes Verhalten des Gläubigers voraus und begründet damit in dessen Person einen Risikohaftungstatbestand (s Rn 5). Auch Abs 3 gibt dem Schuldner einen Ersatzanspruch, jedoch nicht auf Schadensersatz, sondern aus ungerechtfertigter Bereicherung (Rechtsfolgenverweisung auf §§ 818 ff BGB). Der mildere bereicherungsrechtliche Haftungsmaßstab, der für den Gläubiger gilt, entspricht dessen qualifiziertem Vertrauen in die Richtigkeit von Berufungs- oder Revisionsentscheidungen, das höher zu bewerten ist als bei einem erstinstanzlichen Urt (BGHZ 69, 373, 378 = NJW 78, 163; krit Hau NJW 05, 712; Piekenbrock JR 05, 446).

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