Rn 12

Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung kann die Berufung nur bei dem Berufungsgericht eingelegt werden (Abs 1). Dieses hat keine Mitwirkungspflicht, denn die Einreichung der Berufungsschrift ist eine einseitige Prozesshandlung (BGH NJW 94, 1354 [BGH 10.02.1994 - VII ZB 30/93]). Wird die Berufungsschrift bei einem anderen Gericht als dem Berufungsgericht eingereicht, ist zu unterscheiden: Geht sie bei dem erstinstanzlichen Gericht ein, muss dieses aufgrund der dem erstinstanzlichen Verfahren nachwirkenden Fürsorgepflicht den Schriftsatz an das Rechtsmittelgericht weiterleiten, soweit das im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann (BVerfG NJW 05, 2137, 2138 [BVerfG 17.03.2005 - 1 BvR 950/04]). Dasselbe gilt in dem Fall einer leicht und einwandfrei als fehlgeleitet erkennbaren Berufungsschrift, bei dem es für die Funktionsfähigkeit des unzuständigen, vorher mit der Sache nicht befassten Gerichts keine übermäßige Belastung darstellt, in Fürsorge für die Verfahrensbeteiligten einen fehlgeleiteten Schriftsatz im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs an das zuständige Berufungsgericht weiterzuleiten (BVerfG NJW 06, 1579 [BVerfG 17.01.2006 - 1 BvR 2558/05]). Fehlt es jedoch an der Offensichtlichkeit der eigenen Unzuständigkeit des angegangenen Gerichts, besteht für dieses keine Verpflichtung, zur Vermeidung einer Fristversäumung mit besonderem Aufwand für die Weiterleitung an das zuständige Gericht zu sorgen (BGH NJW 05, 3776, 3777 [BGH 05.10.2005 - VIII ZB 125/04]) oder den Berufungsführer auf die Unzuständigkeit hinzuweisen (BGH RdL 20, 426f). Wird das Rechtsmittel aufgrund einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung des Erstgerichts bei einem funktionell unzuständigen Berufungsgericht fristgerecht eingelegt, reicht das aus (BGH MDR 16, 1042).

 

Rn 13

Eingereicht iSd Vorschrift ist die Berufungsschrift, wenn sie in die Verfügungsgewalt des Berufungsgerichts gelangt ist (BVerfGE 57, 117, 120 [BVerfG 29.04.1981 - 1 BvR 159/80]; BGH NJW-RR 22, 1820). Dies kann durch Abgabe des Schriftsatzes bei der Briefannahmestelle oder Geschäftsstelle des Berufungsgerichts, Einlegung in ein für Rechtsanwälte bestimmtes Gerichtsfach mit regelmäßiger Leerung, Einlegung in das allgemeine Gerichtsfach bei der Postverteilungsstelle oder sonst im Gerichtsgebäude, Einwurf in den Tages- oder Nachtbriefkasten oder in ein Postfach des Berufungsgerichts, Eingang bei einer gemeinsamen Posteingangsstelle, der das Berufungsgericht angeschlossen ist, und durch Abgabe bei der Gerichtskasse des Berufungsgerichts zusammen mit einem Scheck für den Gerichtskostenvorschuss herbeigeführt werden. Hat das Berufungsgericht auswärtige Spruchkörper, kann die Berufungsschrift sowohl bei diesen als auch bei dem Stammgericht eingereicht werden. Ein über das beA eingereichtes elektronisches Dokument ist bei Gericht wirksam eingegangen, wenn es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist (BGH NJW 21, 2201, 2202 [BGH 11.05.2021 - VIII ZB 9/20]).

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