Rn 4

Das Hauptsachegericht prüft nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen des stattgefundenen selbstständigen Beweisverfahrens. Es muss aber die Einhaltung der Verfahrensordnung, also die Gesetzmäßigkeit iSd §§ 492 I, 355 ff, klären (Celle NZM 98, 158). Das Gutachten des selbstständigen Beweisverfahrens ist nicht verwertbar, wenn die Beteiligten nicht zu dem Ortstermin des Sachverständigen eingeladen worden, auch nicht erschienen sind und die nicht eingeladenen Verfahrensbeteiligten der Verwertung nicht zustimmen (Köln DB 74, 111. AA Hamm BauR 03, 930); die Nichtverwertbarkeit folgt nicht aus § 493 II, denn diese Norm gilt nur für den gerichtlichen Termin, sie folgt aus der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Weil die fehlende bzw fehlerhafte Einladung der Partei und der Beigetretenen durchweg dem Gericht nicht erkennbar ist, ist die Rüge des Betroffenen geboten. Hat das Gericht des selbstständigen Beweisverfahrens rechtzeitig gebrachte Ergänzungsfragen nicht zugelassen und stattdessen das selbstständige Beweisverfahren beendet, ist das Ergebnis des Beweisverfahrens trotz Verletzung des rechtlichen Gehörs im Hauptsacheprozess verwertbar (aA Hamm NJW-RR 07, 600), diese Einwendungen sind, sofern sie nicht zurückgenommen werden, indes im Hauptsacheprozess zu beachten mit der Folge, dass darin die Verletzung durch Gewährung rechtlichen Gehörs geheilt wird (Hamm BauR 00, 1372).

 

Rn 5

Das Prozessgericht ist nicht an das Ergebnis des selbstständigen Beweisverfahrens gebunden; erscheint das bisherige Beweisergebnis unzureichend, ist im Hauptsacheverfahren die Fortsetzung der Beweisaufnahme geboten. Das Prozessgericht muss ferner beachten, dass Grundlage des im selbstständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachtens durchweg der Parteivortrag des ASt ist; es muss mithin immer prüfen, ob im Hauptsacheverfahren ein geänderter Sachverhalt gegeben ist. Im Hauptsacheprozess können Fragen an den Sachverständigen, die bereits im selbstständigen Beweisverfahren gestellt und beantwortet worden sind, mit der Begründung des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zurückgewiesen werden.

Ob und inwieweit ein Vorbringen, welches im selbstständigen Beweisverfahren hätte gebracht werden können, im Hauptsacheverfahren präkludiert ist, mithin der Umfang des auf §§ 485 ff grds anwendbaren 296 I, ist umstr. Vertreten wird die Auffassung, dass Einwendungen, die trotz ordnungsgemäßer Fristsetzung, will heißen: bei Zustellung der Fristsetzung verbunden mit dem Hinweis auf die Rechtsfolgen, im selbstständigen Beweisverfahren nicht gebracht werden, im Hauptsacheprozess wegen Verspätung präkludiert sein können (LG Berlin BauR 07, 920; Brandbg BauR 08, 1499; Celle NJW-RR 09, 1364; Brandbg IBR 09, 554: BGH IBR 11, 310, 1585: ›Denn nach § 493 Abs 1 ZPO steht die Beweiserhebung im selbstständigen Beweisverfahren einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich. Dass diese Gleichstellung auch für präklusionsrelevantes Verhalten gilt, wird durch § 492 Abs 1 ZPO bestätigt. Diese Norm verweist auf die für die Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht geltenden Normen und damit auch auf die Regelungen der §§ 411 Abs 4, 296 Abs 1 u 4 ZPO.‹; zust Gartz BauR 11, 906; Klein NZBau 12, 8; Musielak/Voit/Huber § 493 Rz 4. AA Hamm BauR 00, 1372; Zweibr OLGR 06, 408; München BauR 08, 716; BGH 12.5.11 – IX ZR 155/10: ›Einwendungen gegen das Gutachten im selbstständigen Beweisverfahren können nach ständiger Rspr des BGH auch im Prozess noch vorgetragen werden.‹; Frankf IBR 12, 57; Ingenstau/Korbion/Joussen Anh 3 Rz 106, 121 ff; FAKomm-BauR/Kirberger § 493 ZPO Rz 8 f; FA-BauR/Keldungs 13. Kap B Rz 106; Sohn BauR 09, 1213; Seibel ZfBR 08, 126, BauR 10, 1668, 1670 und BauR 11, 1410; Briesemeister IBR 11, 562; Praun BauR 13, 1041; Weingart BauR 15, 189. BGH NJW 12, 3787: Der erstmals im Hauptsacheprozess gestellte Antrag auf mündliche Anhörung des im selbstständigen Beweisverfahren eingesetzt gewesenen Sachverständigen ist jedenfalls dann nicht verspätet, wenn er im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung gestellt wird). Die Auffassung, dass der im Hauptsacheprozess gestellte Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens oder auf mündliche Erläuterung des Gutachtens nicht mit der Begründung abgelehnt werden könne, er sei nun verspätet, weil er nicht schon im selbstständigen Beweisverfahren angebracht worden ist, verdient den Vorzug (Ulrich sBV Teil 7 Rz 7; Ulrich BauR 13, 299), denn das im selbstständigen Beweisverfahren besorgte Gutachten kann ein Hauptsacheverfahren nur beschleunigen und nicht verzögern. Angesichts dieser auch beim BGH bisher nicht einheitlichen Auffassung ist den Parteien des selbstständigen Beweisverfahrens und ihren Vertretern unbedingt zu raten, jedenfalls dann sämtliche Einwendungen vorsorglich im selbstständigen Beweisverfahren anzubringen, wenn richterliche Fristsetzungen zugestellt und mit dem Hinweis auf Präklusion versehen worden sind (Rodemann IBR 13, 456). Wegen der möglichen gravierenden Auswirkungen des Einwendungsausschlusses im Falle der Bejahung vo...

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