Rn 1

Der Beweis durch Schriftvergleichung nach den §§ 441, 442 ist ein spezieller Beweis, bei dem durch den Vergleich mit erweislich vom vermeintlichen Aussteller stammenden Schriftstücken die Urheberschaft hinsichtlich der Beweisurkunde festgestellt werden soll. Der Beweis kann sich sowohl auf den Urkundentext als auch auf die Unterschrift beziehen (MüKoZPO/Schreiber § 441 Rz 1). Anwendungsfeld sind jedenfalls handschriftliche Texte, weil diese durch individuelle Schriftmerkmale des Urhebers gekennzeichnet sind (St/J/Berger § 441 Rz 3; Anders/Gehle/Gehle ZPO § 441 Rz 3; weitergehend Wieczorek/Schütze/Ahrens § 441 Rz 4; krit im Hinblick auf die Beweistauglichkeit: MüKoZPO/Schreiber § 441 Rz 1). Der Beweis durch Schriftvergleichung ist gewissermaßen ein Indizienbeweis mit Augenscheinsobjekten (BAG BB 82, 117 [BAG 08.01.1981 - 3 AZR 303/78]; St/J/Berger § 441 Rz 2; Anders/Gehle/Gehle ZPO § 441 Rz 3). Nimmt das Gericht selbst die Schriftvergleichung vor, handelt es sich funktional um einen Augenscheinsbeweis (BGH NJW 17, 3304, 3305), bei Einschaltung eines Sachverständigen (s § 441) um einen Sachverständigenbeweis (BGH NJW 17, 3304, 3305; Zö/Feskorn§ 441 Rz 1; Musielak/Voit/Huber § 441 Rz 1; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 441 Rz 6). Wie das Gericht vorgeht, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen (BGH NJW 17, 3304, 3305 [BGH 16.03.2017 - I ZR 205/15]).

 

Rn 2

Für die Beschaffung der Vergleichsschriften und den Nachweis ihrer Echtheit gelten die Regeln des Urkundenbeweises. Die Herstellung von Vergleichsschriften kann weder von dem Beweisgegner noch von einem Dritten (als Zeugen) verlangt werden. Das Gericht kann den Beweisgegner jedoch hierzu auffordern. Verweigert der Beweisgegner ohne hinreichenden Grund die Herstellung einer Vergleichsschrift, kann das Gericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung (§ 286) die Weigerung zu seinem Nachteil berücksichtigen (MüKoZPO/Schreiber § 441 Rz 5; St/J/Berger § 441 Rz 5; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 441 Rz 11). Auf diese Möglichkeit soll das Gericht in seiner Aufforderung hinweisen (vgl Anders/Gehle/Gehle ZPO § 441 Rz 5: kein zu deutlicher Druck, weil sonst möglicherweise Besorgnis der Befangenheit). Da die Vornahme der Schriftvergleichung eine Beweisaufnahme ist, muss die Parteiöffentlichkeit (§ 357) gewahrt sein.

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