Rn 8

Der Urkundenbeweis wird durch Vorlage der Urkunde geführt. Besondere Bedeutung kommt dem Urkundenbeweis dadurch zu, dass er der einzig zugelassene Beweis im Urkundenprozess (§§ 592 ff) ist. Der Urkundenbeweis ist ein privilegiertes Beweismittel, weil der Urkunde im Vergleich zu anderen Beweismitteln wie dem Zeugen- oder Sachverständigenbeweis besondere Beweiskraft zukommt (BGH NJW 01, 3549, 3550; NJW 08, 523, 524). Aus diesem Grund lässt die Rspr auch keinen ›Urkundenbeweis‹ durch Vorlage von Protokollen über Zeugenvernehmungen oder Sachverständigengutachten aus anderen Verfahren zu (zur prinzipiellen Zulässigkeit vgl etwa BGH NJW 13, 775, 777 [BGH 21.11.2012 - VIII ZR 46/12]), wenn diese im Urkundenprozess die hier nicht zugelassene unmittelbare Beweiserhebung durch Zeugen oder Sachverständige ersetzen sollen (BGH NJW 08, 523, 524 [BGH 18.09.2007 - XI ZR 211/06]). Unzulässig ist ein solcher ›Urkundenbeweis‹ anstelle einer Vernehmung auch dann, wenn eine Partei im Prozess zum Zwecke des unmittelbaren Beweises die Vernehmung des fraglichen Zeugen beantragt hat (BGH NotBZ 13, 430 [BGH 12.07.2013 - V ZR 85/12] Rz 8). Umgekehrt kann ein Schlichtungsgutachten im Arzthaftungsprozess Beweis dafür erbringen, dass ein solches Gutachten erstattet wurde, nicht aber den Sachverständigenbeweis ersetzen (BGH NJW 19, 2399 [BGH 12.03.2019 - VI ZR 278/18] mwN). Allein der Umstand, dass eine Urkunde vorgelegt oder ihre Vorlage angekündigt wird, führt iÜ typischerweise dazu, dass die behauptete Tatsache nicht bestritten wird und sich eine Beweisführung somit erübrigt. Das Beweismittel ›Urkunde‹ wird als so zuverlässig angesehen, dass der Urkundenbeweis sich gewissermaßen selbst überflüssig macht (MüKoZPO/Schreiber § 415 Rz 4). Den Beweisregeln der §§ 415 ff kommt in diesem Fall nicht im technischen Sinne Relevanz für die Führung konkreter Urkundenbeweise zu. Ihre nicht zu unterschätzende praktische Bedeutung liegt vielmehr darin, bei der Abgrenzung des streitigen Sachvortrags vom unstreitigen Sachvortrag zu helfen. Ein potentieller Streitpunkt ist dagegen, ob die Voraussetzung der formellen Beweiskraft der Urkunde, ihre Echtheit, gegeben ist.

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