Rn 52

Die Beseitigung der Rechtskraft im Wege einer Schadensersatzklage nach § 826 BGB kommt nach der Rspr nur unter drei Voraussetzungen in Betracht, die kumulativ vorliegen müssen.

aa) Objektiv unrichtiger Titel.

 

Rn 53

Der angegriffene Titel muss ganz oder tw materiell-rechtlich eindeutig unrichtig sein. Bei der Prüfung der Unrichtigkeit ist nicht auf die Erstentscheidung abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage nach § 826 BGB. Die Unrichtigkeit muss weiterhin im tatsächlichen Bereich liegen, etwa auf unrichtigem Tatsachenvortrag beruhen. Rechtsanwendungsfehler des Gerichts können ausnahmsweise dann genügen, wenn gerade die Manipulation zu einer fehlerhaften rechtlichen Würdigung geführt hat.

bb) Kenntnis der Unrichtigkeit.

 

Rn 54

Weiterhin ist erforderlich, dass der Titelgläubiger positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Titels hat, da nur dann eine vorsätzliche Schädigung in Betracht kommt. Bloße Zweifel an der Richtigkeit genügen nicht. Es reicht jedoch aus, wenn die Kenntnis nachträglich während des Prozesses über den Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB vermittelt wird (BGHZ 101, 380, 384 = NJW 87, 3256).

cc) Missbrauch infolge besonderer Umstände.

 

Rn 55

Da die Durchbrechung der Rechtskraft nach der bereits vom RG und auch vom BGH stets betonten Formulierung auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben muss, weil sonst die Rechtskraft ausgehöhlt, die Rechtssicherheit beeinträchtigt und der Rechtsfrieden in Frage gestellt würde (zB RGZ 163, 287, 289; BGHZ 103, 44, 46 = NJW 88, 971), reichen die objektive Unrichtigkeit des Titels und die Kenntnis seines Inhabers davon alleine noch nicht aus, um die Berufung auf den Titel als sittenwidrig anzusehen. Auch um der Gefahr entgegenzuwirken, dass rechtskräftig entschiedene Prozesse im Wege einer Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe des Titels neu aufgerollt werden (BGH NJW 88, 971), müssen weitere besondere Umstände hinzutreten, welche die Entscheidung als mit dem Gerechtigkeitsempfinden schlechthin unvereinbar erscheinen lassen (BGHZ 112, 54 = NJW 91, 30). Anerkannt sind dabei zwei Fallgruppen: die arglistige Erschleichung eines unrichtigen Titels (Missbrauchstatbestand) und die sittenwidrige Ausnutzung eines unrichtigen Titels (Ausnutzungstatbestand). Eine Titelerschleichung liegt vor bei unlauterer Erwirkung der Entscheidung, bspw durch bewusst wahrheitswidrigen Tatsachenvortrag, bei Verwendung gefälschter Beweismittel (BGH WM 68, 969), Verleiten von Zeugen zu Falschaussagen, Erschleichung einer öffentlichen Zustellung (BGHZ 153, 189, 198 = NJW 03, 1326) oder kollusivem Zusammenwirken des Gläubigers mit dem Vertreter einer Gesellschaft zum Nachteil eines Haftenden (BGH NJW 96, 658 [BGH 11.12.1995 - II ZR 220/94]). Bei der missbräuchlichen Ausnutzung muss die Verwertung eines als unrichtig erkannten Titels als sittenwidrig erscheinen. Dies ist va bei Unterhaltstiteln der Fall, wenn titulierte Unterhaltsleistungen weiter entgegengenommen werden und die Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse verschleiert (BGH NJW 86, 1751, 1753) oder die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht mitgeteilt wird (BGH NJW 86, 2047, 2049 [BGH 23.04.1986 - IVb ZR 29/85]).

 

Rn 56

In der Literatur wird tw die Ansicht vertreten, in Extremfällen evident unrichtiger Urteile reiche die Kenntnis des Gläubigers aus, um die Klage nach § 826 BGB zu begründen, ohne dass es dazu weiterer Umstände bedürfe (Zö/G.Vollkommer Vor § 322 Rz 74). Weiterhin soll eine erleichterte Durchbrechung der Rechtskraft in solchen Fällen zugelassen werden, in denen der Titelschuldner besonders schutzbedürftig ist, wie etwa bei sittenwidrigen Ratenkreditverträgen (dazu Rn 58) und sittenwidrigen Bürgschaftsverträgen vermögensloser naher Angehöriger (Zö/G.Vollkommer Vor § 322 Rz 74; Wieczorek/Schütze/Büscher § 322 Rz 245; Tiedtke NJW 03, 1359, 1367). Der BGH hat die Frage, ob eine offensichtliche Unrichtigkeit des Titels ausreichen kann, bislang offengelassen (BGHZ 151, 316, 329 = NJW 02, 2940; aufgehoben von BVerfGE 115, 51; bestätigt BGH FamRZ 2006, 1024).

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