Rn 4

§ 309 kann eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung erforderlich machen, wenn ein Richter bei einem Termin verhindert war, ein Richterwechsel nach der mündlichen Verhandlung und vor Urteilsfällung im oben Rn 2 bezeichneten Sinne eingetreten ist (§ 156 II Nr 3; BGH NJW-RR 15, 893, 894 [BGH 21.04.2015 - II ZR 255/13]; BAGE 101, 145, 152 [BAG 16.05.2002 - 8 AZR 412 01] = MDR 03, 47, 48: ehrenamtlicher Richter) oder ein Richter während der mündlichen Verhandlung vorübergehend abwesend war (BAG NJW 58, 924 [BAG 31.01.1958 - 1 AZR 477/57]; BeckRS 16, 71138 [auch wenn bei Antragstellung wieder anwesend]), sofern die Beweiskraft des Protokolls (§ 165) diesen Nachweis zulässt.

Nach der Beratung und Abstimmung über das Urt, aber vor Verkündung muss das Gericht einen nicht nachgelassenen Schriftsatz zur Kenntnis nehmen und eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung prüfen (BGH NJW 02, 1426, 1428). Hat der Gesamtspruchkörper eines Kollegialgerichts nach § 309 über das Urt beraten und abgestimmt, so kann jedenfalls dann über die Wiedereröffnung entsprechend § 320 IV 2 und 3 nur in der Besetzung der Schlussverhandlung entschieden werden, wenn eine zwingende Wiedereröffnung wegen eines Verfahrensfehlers oder eine Wiedereröffnung nach Ermessen des Gerichts in Betracht kommt (BGH NJW 02, 1426 [BGH 01.02.2002 - V ZR 357/00]). Deshalb ergeht in diesen Fällen bei Verhinderung eines der an Schlussverhandlung und Urteilsfällung beteiligten Richter die Entscheidung über die Wiedereröffnung ohne Hinzuziehung eines Vertreters in der verbleibenden Besetzung der Richterbank (BGH aaO), denn nur die ursprünglich beteiligten Richter haben Kenntnis von dem Verfahrensgang, den es bei der Feststellung eines Verfahrensfehlers und dessen Entscheidungserheblichkeit oder bei der Ausübung des Ermessens zu würdigen gilt. Vor der Urteilsberatung gilt § 309 unmittelbar (vgl auch BGH NJW-RR 12, 508, 509 [BGH 01.03.2012 - III ZR 84/11] Rz 9).

Es ist mit Art 101 I 2 GG nicht vereinbar, wenn nach Ablauf der Amtsperiode eines ehrenamtlichen Richters der Verkündungstermin so lange verlegt wird, bis dieser erneut ernannt wird (BAGE 101, 145, 152 [BAG 16.05.2002 - 8 AZR 412 01] = MDR 03, 47, 48). Vielmehr ist dann die Wiedereröffnung der Verhandlung in der aktuellen Besetzung erforderlich. Nach BAG NJW 71, 1332 [BAG 16.12.1970 - 4 AZR 98/70] mwN sind die Anträge nach einem Richterwechsel erneut in der Form des § 297 zu stellen (aA Jena OLGR Jena 04, 170; St/J/Althammer Rz 6); das ist ein unnötiger Formalismus, den auch Art 101 I 2 GG nicht gebietet. Allerdings wird sich die wiedereröffnete Verhandlung in praxi ohnehin meist in der erneuten Antragstellung erschöpfen (krit dazu Anders/Gehle/Hunke ZPO Rz 1–2). Die Wiedereröffnung (§ 156) berührt weder Parteivorbringen aus dem früheren Termin noch bindende Prozesslagen wie Geständnis, Anerkenntnis, Verzicht und Rügeverlust (St/J/Althammer Rz 6).

Waren die Richter, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hatten, im Urt falsch wiedergegeben und wird dies (auch nach Erhebung der Revisionsrüge) nach § 319 berichtigt, so liegt ein Verstoß gegen § 309 nicht vor (BayObLGZ 86, 398, 399).

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