1. Grundlagen.

 

Rn 10

Die Abgrenzung des Anspruchsgrunds von dem Betragsverfahren ist die schwierigste und streitträchtigste Frage des § 304. Die Abgrenzung hat sich an dem Grundsatz zu orientieren, dass § 304 eine vollständige Entscheidung über den Anspruchsgrund verlangt, die dem Nachverfahren nur den Betrag übrig lässt (vgl Musielak/Musielak Rz 17). Alles, was nicht nur die Höhe des Anspruchs betrifft, gehört grds zum Anspruchsgrund. Das Urt darf sich nicht auf einzelne Elemente der Begründetheit beschränken, sondern muss den Rechtsstreit hinsichtlich des Grundes umfassend erledigen (BGHZ 108, 256, 259 = NJW 89, 2745). Ein Grundurteil kommt deshalb nicht in Betracht hinsichtlich unselbstständiger Rechnungsposten aus dem Saldo, materiell-rechtlicher oder prozessualer Vorfragen oder über einzelne Streitfragen oder Einsatzwerte bei der Schadensberechnung (vgl Zö/Feskorn Rz 9). Die Rspr weicht den Grundsatz der vollständigen Erledigung des Klagegrundes jedoch zunehmend aus pragmatischen Gründen auf (Rn 14 f), was beim Grundurteil leichter hinzunehmen ist, da es anders als das Feststellungsurteil nur ein Zwischenurteil ohne materielle Rechtskraft darstellt. Im Einzelnen will die Rspr es verstärkt erlauben, Sachfragen, die eigentlich zum Anspruchsgrund gehören, dem Betragsverfahren vorzubehalten, sofern zumindest damit zu rechnen ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht. Damit will die Rspr die Schwierigkeiten einer Unterscheidung zwischen Grund und Höhe zugunsten einer Betrachtung aufgeben, die danach fragt, ob im Betragsverfahren noch etwas ›übrig bleibt‹, das dem Anspruchsteller zugesprochen werden kann (Musielak/Musielak Rz 17). Deutlicher ist dagegen der BGH, wenn er jüngst animmt, dass bei einem Bauhaftungsprozess Feststellungen zu Mängeln des Bauwerks nicht dem Betragsverfahren überlassen werden dürfen (BGH NJW 19, 982).

2. Abgrenzung von Grund und Betrag im Einzelnen.

a) Zulässigkeit.

 

Rn 11

Die Zulässigkeit der Klage muss im Entscheidungszeitpunkt gegeben sein; andernfalls ist die Klage durch Prozessurteil abzuweisen.

b) Anspruchsbegründung.

 

Rn 12

Die anspruchsbegründenden Tatsachen müssen vollständig vorliegen. Das umfasst die Aktiv- und Passivlegitimation und mithin Fragen des (gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen) Forderungsübergangs, bea aber § 265 II. Nach hL kann auch bei einem nur teilweisem Forderungsübergang, der niedriger ist als die Klageforderung, kein Grundurteil zugunsten des früheren Gläubigers ergehen (wohl R/S/G § 59 IV 2 Rz 50: Forderungsübergang im Grundurteil zu erörtern); die Rspr sieht das aber teilweise anders (BGH NJW 56, 1236 mN; MüKoZPO/Musielak Rz 18 mwN). Zugunsten des neuen Anspruchsinhabers kommt ein Grundurteil in Betracht, wenn jedenfalls ein teilweiser Anspruchsübergang feststeht (BayObLG MDR 66, 422f).

Eine Pfändung und Überweisung der Forderung mit der Folge, dass nicht mehr ggü dem Kl zu erfüllen ist, soll aber dem Grundurteil nicht entgegenstehen (RGZ 170, 281, 283). Das ist zweifelhaft, da der Schuldner mit der Überweisung die Sachbefugnis verliert. Bei einer auf Leistung an eigene Person gerichteten Klage müsste der klagende Schuldner im Betragsverfahren stets mit der Folge vollständiger Klageabweisung unterliegen, da er wegen § 829 I 2 allenfalls noch auf Zahlung an den Pfändungsgläubiger, freilich auch auf Feststellung des Bestehens der Schuld, klagen kann.

 

Rn 13

Die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität sowie die Zurechnung gehören zum Grund des Anspruchs. Die Abgrenzung zwischen Anspruchsgrund und dem Betragsverfahren ist nicht mit der Abgrenzung zwischen § 286 und § 287 kongruent (§ 287 Rn 6). Aus pragmatischen Gründen lässt es der BGH zu, auf eine abschließende Klärung des Ursachenzusammenhangs zwischen schädigendem Ereignis und den Schadenspositionen zu verzichten und durch ausdrückliche Vorbehalte (Rn 21) bestimmte Frage dem Betragsverfahren zu überlassen, wenn der Klageanspruch mit Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (ua BGHZ 53, 17, 23), vgl auch Rn 15. Nach Auffassung in der Rspr soll daher ein Grundurteil im Kartellschadensersatzprozess nur ausgeschlossen sein, wenn bereits auf erste Sicht und ohne eine aufwändige Sachverhaltsaufklärung festzustellen ist, dass der in Rede stehende Kartellschaden vollständig weitergegeben worden ist und aus diesem Grund nicht einmal von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines Schadens in irgendeiner Höhe ausgegangen werden kann (Ddorf NZKart 18, 477, 481); das erscheint zu großzügig, weil eine solche Feststellung ›auf erste Sicht‹ im Grunde niemals zutreffen sein wird. Ein Grundurteil kann nicht ergehen, wenn einzelne Bezugsvorgänge noch offen sind (so aber Ddorf 23.1.19 – VI-U (Kart) 18/17 Rz 41; dazu Thole NZKart 20, 227, 230; richtig jetzt BGH NJW 20, 1436 [BGH 29.10.2019 - KZR 39/19]; dazu oben Rn 9). Bei einer aus Einzelpositionen zusammengesetzten, aber einheitlichen Ersatzforderung kann ein Grundurteil über die Ersatzpflicht ergehen; im Betragsverfahren soll dann erst ermittelt werden, ob und inwieweit einzelne Schadensposten (überhaupt) auf die schadensstiftende Ha...

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