Rn 102

Objektiv muss ein Tun oder Unterlassen vorliegen, ohne dass die Klärung des Sachverhalts möglich gewesen wäre (vgl BGH VersR 60, 844, 846). Das beweisvereitelnde Verhalten muss also ursächlich für die Nichtaufklärung eines entscheidungserheblichen Umstandes geworden sein. Bezüglich der rechtlichen Behandlung besteht kein Unterschied zwischen der völligen Beweisvereitelung und der bloßen Erschwerung der Beweisführung (BGH NJW 83, 2935, 2937 [BGH 25.01.1983 - VI ZR 24/82]). Subjektiv reicht jede Form des Verschuldens – dh alle Grade der Fahrlässigkeit und des Vorsatzes – aus (BGH NJW 86, 59, 60 [BGH 15.11.1984 - IX ZR 157/83]). Für ein vorprozessuales Verhalten kann dabei der Vorwurf der Fahrlässigkeit nur erhoben werden, wenn die betreffende Partei erkennen musste, dass das Beweismittel in einem zukünftigen Prozess Bedeutung erlangen könnte. Ein Verschulden von Hilfspersonen reicht dabei in entsprechender Anwendung des § 278 BGB aus (Köln VersR 88, 43, 44; Ddorf VersR 88, 968, 969 – jew Haftung des Krankenhauses für Fehlverhalten eines Arztes); ebenso haftet eine minderjährige Partei für ein Fehlverhalten ihres gesetzlichen Vertreters (zutr Musielak/Voit/Foerste Rz 65; Anders/Gehle/Nober ZPO Rz 79). Anwendbar ist ferner eine Wissenszurechnung über § 166 BGB (BGH v 11.3.1993 – III ZR 182/91, juris Rz 10). Eine Beweisvereitelung setzt allerdings stets voraus, dass sich das Verschulden nicht nur auf die Vernichtung des Beweisgegenstandes bezieht, sondern auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion (BGH NJW 04, 222). Erforderlich ist also immer ein doppelter Schuldvorwurf. Trotz Vorliegens der objektiven und subjektiven Voraussetzungen kann im Einzelfall eine Beweisvereitelung gleichwohl zu verneinen sein, wenn das Verhalten der jeweiligen Partei unter Berücksichtigung aller Umstände nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann. So kann in der Vorenthaltung eines Beweismittels kein missbilligenswertes Verhalten gesehen werden, wenn höherrangige Interessen der vereitelnden Partei – zB der Schutz eines Geschäftsgeheimnisses – die Weigerung als gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl BGH NJW-RR 96, 1534; s.a. den Fall Kobl VersR 13, 1142, 1143 – zerstörende Untersuchung eines fehlerhaften Medizinprodukts, um aus Präventionsgesichtspunkten die Ursache des Fehlers zu erforschen).

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