Rn 19

Die in Abs 3 vorgesehene absolute Ausschlussfrist von einem Jahr nach dem Ende der versäumten Frist, die nicht verlängert werden kann und gegen deren Versäumung Wiedereinsetzung nicht möglich ist, dient der Absicherung der formellen Rechtskraft und Rechtssicherheit und kann damit naturgemäß zu unbillig erscheinenden Ergebnissen führen. Es überrascht daher nicht, dass die Rspr entgegen den Wortlaut verschiedene Ausnahmen zugelassen hat (MüKoZPO/Stackmann Rz 23 f; Musielak/Voit/Grandel Rz 6; Saenger Rz 9). Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Grund für die Versäumung der Jahresfrist in der Sphäre des Gerichts liegt. Dann verbietet es der Anspruch einer Partei auf ein rechtsstaatliches, faires Verfahren (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG), die Partei mit ihrem Wiedereinsetzungsantrag wegen Ablaufs der Jahresfrist auszuschließen (BGH MDR 16, 343). Das Rechtsstaatsprinzip ist durch die Anwendung des § 234 Abs 3 etwa dann verletzt, wenn der Partei eine fehlerhafte Urteilsausfertigung zugestellt wurde (BGH NJW-RR 04, 1651, 1653), wenn das Gericht über einen rechtzeitig gestellten Prozesskostenhilfeantrag nicht innerhalb eines Jahres entschieden (BGH, 25.4.19 – III ZB 104/18, juris Rz 5; NJW 73, 1373) oder eine ablehnende Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag nicht zugestellt hat (BGH NJW-RR 08, 878 [BGH 20.02.2008 - XII ZB 179/07] Rz 15f), und wenn das Gericht bei einer Partei durch seine Verfahrensweise über einen längeren Zeitraum das Vertrauen erweckt hat, der eingelegte Rechtsbehelf sei zulässig (BGH NJW 11, 522 Rz 37; BAG NJW 04, 2112, 2114 [BAG 05.02.2004 - 8 AZR 112/03]) oder ein gestellter Wiedereinsetzungsantrag sei begründet (vgl BVerfG, NJW 04, 2149, 2150 [BVerfG 15.04.2004 - 1 BvR 622/98]). Ebenso ist dies der Fall, wenn einer Partei ein durch Niederlegung zugestelltes Versäumnisurteil durch die Postanstalt nicht ausgehändigt wurde und der Gegner nicht auf die Rechtskraft vertrauen durfte (Ddorf NJW-RR 03, 136 [OLG Düsseldorf 19.03.2002 - 23 U 140/01]).

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