Rn 2

Ein förmlicher Aufruf ist – wenngleich wünschenswert – nicht in jedem Fall geboten. Es ist ausreichend, wenn nach den gesamten Umständen erkennbar von einem Beginn des Termins auszugehen ist (BGH MDR 11, 74 [BGH 12.10.2010 - VIII ZB 16/10]). Dies ist etwa der Fall, wenn alle Beteiligten anwesend sind und das Gericht in die Sach- und Rechtslage einführt. Ein Aushang, wonach die Parteien ohne Aufforderung den Sitzungssaal zu betreten haben, ist nicht ausreichend (LG Hamburg NJW 77, 1459; Musielak/Voit/Stadler Rz 2). Grds hat der Aufruf hörbar im Sitzungssaal und den räumlichen Bereich zu erfolgen, in dem die Beteiligten üblicherweise auf den Termin warten. Er muss im zeitlichen Zusammenhang mit der Terminsstunde stehen und darf nicht vor der festgesetzten Terminsstunde erfolgen (KG NJW 87, 1338, 1339). Der Aufruf kann durch den Vorsitzenden delegiert werden, etwa dem Wachtmeister oder einen Referendar (BeckOK ZPO/Jaspersen Rz 2; Musielak/Voit/Stadler Rz 2; Saenger/Wöstmann Rz 1). Der Aufruf muss inhaltlich so klar sein, dass auch eine nicht gerichtserfahrene Partei erkennen kann, dass das sie betreffende Verfahren gemeint ist (St/J/Roth Rz 4; Musielak/Voit/Stadler Rz 2). Besondere Umsicht des Gerichts ist bei tw immer noch üblichen so genannten Sammelterminen geboten, bei denen bis zu 20 Sachen auf dieselbe Terminsstunde angesetzt werden. Diese fragwürdige Praxis ist besonders im Parteiprozess unangebracht, weil die nicht rechtskundige und mit dieser Verfahrensweise regelmäßig nicht vertraute Partei dadurch verunsichert werden kann. Ein Sammelaufruf zu Beginn der Terminsstunde genügt keinesfalls. Ein nochmaliger Aufruf vor Erlass eines Versäumnisurteils nach Ablauf der regelmäßig einzuhaltenden 15-minütigen Wartefrist ist üblich und sinnvoll. Als wesentliche Förmlichkeit ist der Aufruf der Sache zu protokollieren.

 

Rn 3

Fehlt es an einem ordnungsgemäßen Aufruf, stellt dies einen nach § 295 I heilbaren Verfahrensfehler dar. Ein verfrühter Aufruf bleibt folgenlos, wenn die Säumnis der Partei in dem Termin nicht auf diesen beruht (KG NJW 87, 1338, 1339; BeckOKZPO/Jaspersen Rz 2). IÜ kann das rechtliche Gehör einer Partei verletzt sein, wenn die Sache nicht oder nicht ordnungsgemäß aufgerufen worden ist und sie deshalb an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat (vgl BSG, Beschl v 16.12.2014 – B 9 SB 56/14 B, juris Rz 9; VGH Bayern, Beschl v 8.4.19 – 8 ZB 18.32811, juris Rz 35).

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