Rn 6

Obsiegen und unterliegen Streitgenossen nicht einheitlich, sondern unterschiedlich, gilt zunächst einmal nicht § 100. Die Kostenquotierung richtet sich vielmehr nach § 92 I. Das anteilige Obsiegen und Unterliegen ist zu berücksichtigen. Gleichwohl spielt § 100 aber auch in die Kostenentscheidung herein, nämlich soweit ein Teil der Streitgenossen wiederum einheitlich unterliegt oder gesamtschuldnerisch. Letztlich läuft die Kostenentscheidung dann auf eine Kombination von § 92 und § 100 hinaus.

In der Praxis werden solche Fälle nach der sog Baumbachschen Formel gelöst (LG Hagen Urt v 4.12.12 – 9 O 490/06). Die hiergegen häufig vorgebrachte Kritik ist unzutreffend. Mit der Baumbachschen Formel lässt sich in jedem Fall ein gerechtes Ergebnis finden, das das anteilige Obsiegen und Unterliegen exakt berücksichtigt. Daher hat sich diese Berechnung in der Praxis auch bewährt und wird fast nahezu einhellig angewandt.

Die Baumbachsche Formel beruht auf folgender Erwägung: Um das anteilige Obsiegen und Unterliegen zu erfassen, werden die Werte aller Prozessrechtsverhältnisse zusammengerechnet, so dass sich dann der Gesamtwert aller ›Angriffe‹ ergibt. Dieser Gesamtwert liegt idR über dem Streitwert, da beim Streitwert gleich gerichtete Angriffe, also solche mit identischem Gegenstand nicht zusammengerechnet werden.

Hat man dann den Gesamtangriffswert ermittelt, so ist im nächsten Schritt festzustellen, inwieweit der einzelne Beteiligte an den jeweiligen ›Angriffen‹ beteiligt war. Als nächstes ist dann noch festzustellen, inwieweit der Beteiligte an den ihn betreffenden Anteilen obsiegt hat bzw unterlegen war. Am besten lässt sich dies anhand von Beispielen verdeutlichen:

 

Beispiel 1:

Der Kl klagt gegen den Beklagten zu 1) auf Zahlung von 10.000 EUR und gegen den Beklagten zu 2) auf Zahlung von 5.000 EUR (keine gesamtschuldnerische Haftung). Der Klage gegen den Beklagten zu 1) wird stattgegeben; die Klage gegen den Beklagten zu 2) wird abgewiesen.

Nunmehr ist nach den Gerichtskosten und den Kosten der Beteiligten zu differenzieren, wobei jeweils zu berücksichtigen ist, inwieweit die Beteiligten am Gesamtwert beteiligt waren.

Der Gesamtwert aller ›Angriffe‹ beläuft sich für die Gerichtskosten und den Kl auf 15.000 EUR. Der Kl war davon mit einem Anteil von 5.000 EUR unterlegen, da die Klage gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen ist.

Der Gesamtwert aller Angriffe betreffend den Beklagten zu 1) belief sich auf 10.000 EUR. Insoweit war er in vollem Umfang unterlegen, da er insoweit verurteilt worden ist.

Der Gesamtwert aller Angriffe betreffend den Beklagten zu 2) belief sich auf 5.000 EUR. Er war insoweit nicht unterlegen.

Dies ergibt dann folgende Berechnung:

 
  Gerichtskosten Kl Bekl zu 1) Bekl zu 2)
Gesamtwert der beteiligten Prozessrechtsverhältnisse 15.000 15.000 10.000 5.000
Unterliegen Kl 5.000 5.000 0 5.000
Unterliegen Bekl zu 1) 10.000 10.000 10.000 0
Unterliegen Bekl zu 2) 0 0 0 0

In einfachen Brüchen ergibt dies:

 
  Gerichtskosten Kl Bekl zu 1) Bekl zu 2)
Unterliegen Kl 0 1/
Unterliegen Bekl zu 1) 1/ 0
Unterliegen Bekl zu 2) 0 0 0 0
Gesamt 3/ 3/ 1/ 1/

Die Kostenentscheidung lautet also wie folgt: Von den Gerichtskosten und den Kosten des Klägers tragen der Kl 1/3 und der Beklagte zu 1) 2/3. Die Kosten des Beklagten zu 1) trägt dieser selbst. Die Kosten des Beklagten zu 2) trägt der Kl.

 

Beispiel 2:

Der Kl klagt wiederum gegen den Beklagten zu 1) auf Zahlung von 10.000 EUR und gegen den Beklagten zu 2) auf Zahlung von 5.000 EUR (Keine Gesamtschuld). Der Beklagte wird verurteilt, 7.500 EUR zu zahlen, der Beklagte zu 2) wird verurteilt, 2.500 EUR zu zahlen.

Der Wert der Gesamtansprüche beläuft sich auch hier auf 15.000 EUR. Die Gerichtskosten berechnen sich wiederum nach 15.000 EUR, ebenso die Kosten des Klägers. Die Kosten des Beklagten zu 1) berechnen sich nach 10.000 EUR und die des Beklagten zu 2) nach 5.000 EUR. Das jeweilige Unterliegen berechnet sich wie folgt:

 
  Gerichtskosten Kl Bekl zu 1) Bekl zu 2)
Gesamtwert der beteiligten Prozessrechtsverhältnisse 15.000 15.000 10.000 5.000
Unterliegen Kl 5.000 5.000 2.500 2.500
Unterliegen Bekl zu 1) 7.500 7.500 7.500 0
Unterliegen Bekl zu 2) 2.500 2.500 0 2.500

In einfachen Brüchen ergibt dies:

 
  Gerichtskosten Kl Bekl zu 1) Bekl zu 2)
Unterliegen Kl ¼ ½
Unterliegen Bekl zu 1) ¾ 0
Unterliegen Bekl zu 2) 0 0 0 ½
Gesamt 3/ 3/ 4/ 2/

Die Kostenentscheidung müsste wie folgt lauten: Die Gerichtskosten und die Kosten des Klägers tragen der Kl zu 1/3 und der Beklagte zu 1) zu 2/3. Von den Kosten des Beklagten zu 1) trägt der Kl 1/4, iÜ trägt der Beklagte zu 1) seine Kosten selbst. Von den Kosten des Beklagten zu 2) trägt der Kl 1/2, im Übrigen trägt der Beklagte zu 2) seine Kosten selbst.

 

Beispiel 3:

Der Kl klagt gegen die Beklagten zu 1), 2) und 3) auf Zahlung von 10.000 EUR als Gesamtschuldner. Die Beklagten zu 1) und 2) werden gesamtschuldnerisch verurteilt 6.000 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Gesamtwert der Angriffe beläuft sich jetzt für die Gerichtsko...

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