Gesetzestext

 

(1) Dieser Artikel kommt zur Anwendung, wenn eine Entscheidung, die Rückgabe eines Kindes in einen anderen Mitgliedstaat abzulehnen, sich nur auf Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b oder Artikel 13 Absatz 2 des Haager Übereinkommens von 1980 stützt.

(2) Das Gericht, das eine Entscheidung gemäß Absatz 1 fällt, stellt unter Verwendung des in Anhang I wiedergegebenen Formblatts von Amts wegen eine Bescheinigung aus. Die Bescheinigung wird in der Sprache ausgefüllt und ausgestellt, in der die Entscheidung abgefasst ist. Die Bescheinigung kann auch in einer anderen Amtssprache der Organe der Europäischen Union, die von einer Partei gewünscht wird, ausgestellt werden. Dies verpflichtet das die Bescheinigung ausstellende Gericht nicht dazu, eine Übersetzung oder Transliteration der übersetzbaren Inhalte der Freitextfelder bereitzustellen.

(3) Wenn zu dem Zeitpunkt, zu dem das Gericht eine Entscheidung gemäß Absatz 1 fällt, ein Gericht in dem Mitgliedstaat, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, bereits mit einem Verfahren zur Prüfung des Sorgerechts befasst wurde, übermittelt das Gericht, wenn es Kenntnis von diesem Verfahren hat, binnen eines Monats ab der Entscheidung nach Absatz 1 dem Gericht dieses Mitgliedstaats direkt oder über die Zentralen Behörden folgende Unterlagen:

a) eine Abschrift seiner Entscheidung gemäß Absatz 1;
b) die nach Absatz 2 ausgestellte Bescheinigung; und
c) gegebenenfalls ein Protokoll, eine Zusammenfassung oder eine Niederschrift der Anhörung und alle anderen Unterlagen, die es als sachdienlich erachtet.

(4) Das Gericht in dem Mitgliedstaat, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, kann erforderlichenfalls eine Partei auffordern, gemäß Artikel 91 eine Übersetzung oder Transliteration der Entscheidung gemäß Absatz 1 und aller anderen der Bescheinigung gemäß Absatz 3 Buchstabe c des vorliegenden Artikels beigefügten Unterlagen vorzulegen.

(5) Wenn in anderen als den in Absatz 3 genannten Fällen eine der Parteien binnen drei Monaten nach Mitteilung der Entscheidung nach Absatz 1 ein Gericht in dem Mitgliedstaat, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, mit der Prüfung des Sorgerechts befasst, legt sie dem Gericht folgende Unterlagen vor:

a) eine Abschrift der Entscheidung gemäß Absatz 1;
b) die nach Absatz 2 ausgestellte Bescheinigung; und
c) gegebenenfalls ein Protokoll, eine Zusammenfassung oder eine Niederschrift der Anhörung vor dem Gericht, das die Rückgabe des Kindes abgelehnt hat.

(6) Unbeschadet einer Entscheidung gemäß Absatz 1, ein Kind nicht zurückzugeben, ist jede Sorgerechtsentscheidung, die in einem Verfahren gemäß den Absätzen 3 und 5 ergeht und die Rückgabe des Kindes zur Folge hat, gemäß Kapitel IV in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckbar.

 

Rn 1

Art 29 regelt iE das Verfahren im Anschluss an die Ablehnung der Rückgabe des Kindes aufgrund Art 13 I lit b bzw Art 13 II HKÜ (Rückklappmechanismus). Die Neufassung soll die Arbeit der Gerichte erleichtern und die unnötige Übersendung und Übersetzung von Unterlagen vermeiden (Schulz FamRZ 20, 1141, 1145).

 

Rn 2

Nach Art 29 II hat das den HKÜ-Antrag abweisende Gericht vAw das Formblatt im Anhang I auszufüllen; erstinstanzlich der Richter, zweitinstanzlich der Vorsitzende des Familiensenats (§ 39 I IntFamRVG). In der Entscheidung sollen die maßgeblichen Art des HKÜ, auf die die Entscheidung gestützt wird, benannt werden (Erw 48 S 1). Auf die Rechtskraft der ablehnenden Entscheidung kommt es – wie bisher (EuGH FamRZ 08, 1729 [Rinau] – nicht an (Erw 48 S 2). Eine Zustellung an die Parteien hat – zwingend – zu erfolgen. Die förmliche Zustellung ist wegen der Berechnung der Dreimonatsfrist des Art 29 V zwingend; eine Rechtsbehelfsbelehrung nach § 39 FamFG ist allerdings nur dann angezeigt, sofern die Bescheinigung einem Beschluss iSv § 38 FamFG gleichkäme; in diesem Fall lautet die Rechtsbehelfsbelehrung: ›Die Ausstellung dieser Bescheinigung ist nicht anfechtbar.‹ § 39 IntFamRVG sieht eine Anfechtbarkeit nicht vor; dies zeigt auch der Vergleich mit § 48 Abs 4 IntFamRVG, wonach nur in bestimmten Fällen der Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung mit Rechtsmitteln angefochten werden kann. Sofern eine Partei einen ausdrücklichen Antrag stellt, ist die Ausstellung der Bescheinigung in einer anderen Amtssprache nach Art 29 II 3 möglich (eingeschränktes Ermessen). Allerdings besteht nach Art 29 II 4 keine Verpflichtung zur Übersetzung oder Transliteration der übersetzbaren Inhalte der Freitextfelder. Über die Website des EJN-Gerichtsatlas (https://online-forms.e-justice.europa.eu/online-forms/brussels-iib-regulation-matrimonial-matters-and-matters-parental-responsibility-forms_de) können die Bescheinigungen in Deutsch ausgefüllt und in den anderen EU-Amtssprachen gedruckt werden.

 

Rn 3

Art 29 Brüss...

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