Rn 10

Die Rechtsfortbildungsvorlage dient dem aus Art 3 I GG hergeleiteten Gebot nach Rechtsanwendungsgleichheit und stellt sich zugleich als aus Art 20 III GG abgeleitete Normierung der Rechtsfortbildung als richterliche Gestaltungsaufgabe dar (MüKoZPO/Pabst Rz 21). Sie setzt eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung voraus, deren Klärung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rspr erforderlich ist. Sie kommt, damit das Anfrageverfahren nicht umgangen wird, nur in Betracht, wenn eine Divergenzvorlage nach Abs 2 ausscheidet (BGHZ 128, 85). Ob die Voraussetzungen des Abs 4 vorliegen, prüft zunächst der vorlegende Senat. Trotz des Wortlauts hat der Senat, um die Bestimmbarkeit des gesetzlichen Richters zu gewährleisten, bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 4 kein Ermessen, sondern eine Vorlagepflicht (MüKoZPO/Pabst Rz 27; aA BeckOK GVG/Graf Rz 26). Der Große Senat hat in vollem Umfang nachzuprüfen, ob es sich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handelt (Zö/Lückemann Rz 7). Eine Befassung der Vereinigten Großen Senate sieht Abs 4 nicht vor.

I. Grundsätzliche Bedeutung.

 

Rn 11

Wann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist angesichts der Unbestimmtheit des Begriffs umstr. Eine Frage ist von grundsätzlicher Bedeutung, wenn sie in ihrer Wirkung über die unmittelbaren Verfahrensbeteiligten hinausgeht (Kissel/Mayer Rz 32 mN). Danach kommt es darauf an, ob ein Bedürfnis für eine richtungs- oder zukunftsweisende Entscheidung über den Einzelfall hinaus besteht. Ob eine Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, entscheidet nicht die Bedeutung des Einzelfalls für die Parteien (BGH NJW 79, 219). Eine Rechtsfrage kann auch dann von grundsätzlicher Bedeutung sein, wenn die Entscheidung für das Rechtsleben von prägender Relevanz ist, zB bei großer wirtschaftlicher Tragweite über den Einzelfall hinaus, bei Auswirkungen auf das Arbeitsleben oder das Versicherungswesen oder bei der Auslegung typischer Vertragsklauseln (Kissel/Mayer Rz 33 mN).

II. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

 

Rn 12

Für die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist prognostisch darauf abzustellen, ob eine größere Zahl von vergleichbaren Fällen mit ähnl gelagerten Rechtsfragen zum BGH gelangen und dort von verschiedenen Senaten bearbeitet werden wird. Dabei müssen Anhaltspunkte für mutmaßlich unterschiedliche Auffassungen unter den Senaten vorliegen (BGH NJW 00, 1185 [BGH 15.02.2000 - XI ZR 10/98]), die abweichende Entscheidungen erwarten lassen. Diese können sich aus divergierenden Entscheidungen der Instanzgerichte ergeben, aber auch aus abweichenden Entscheidungen eines Senats, die wegen der Nichterheblichkeit für die Entscheidung im Einzelfall (obiter dicta) nicht zur Divergenzvorlage führten (Kissel/Mayer Rz 36).

III. Fortbildung des Rechts.

 

Rn 13

Eine Vorlage an den Großen Senat zur Fortbildung des Rechts kommt bei der Ausfüllung von Gesetzeslücken in Betracht. Allein die Gesetzeskonkretisierung stellt noch keine Fortbildung des Rechts iSd Abs 4 Alt 1 dar, es kommt nur die Vorlage zur Sicherung einer einheitlichen Rspr in Betracht.

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